Die Bildzeitung ist verärgert: über die Bundesregierung, den Iran, das Islamische Zentrum Hamburg (IZH) und die Islamische Gemeinschaft der Schiiten in Deutschland (IGS). Es passt nicht in ihr Weltbild, dass ein schiitischer Dachverband für bestimmte Projekte finanziell vom deutschen Staat gefördert wird. Deshalb hetzt sie seit Monaten in wiederkehrendem Muster gegen die IGS und das IZH.

In Hamburg wird seit dessen Bestehen gegen den Staatsvertrag mit der Schura Hamburg gewettert. Hauptgrund ist auch hier das IZH und dessen vermeintliche Einstellung zum Quds-Tag. Haupthetzer sind hier ebenfalls Zeitungen des erzzionistischen Axel Springer Verlages.

Jüngster Höhepunkt der anti-schiitisch geprägten Agitation gegen die IGS und das IZH ist eine Kleine Anfrage der Bundestagsfraktion der Grünen zu der finanziellen Förderung, die die IGS insbesondere im Bereich Extremismus-Prävention von der Bundesregierung und der EU erhält. Die Bundesregierung antwortete in der vergangenen Woche auf die Anfrage. Nicht nur die Bundesregierung dürfte darüber verwundert sein, dass in der Anfrage ohne jeglichen Sachzusammenhang Fragen zu Offenkundiges.de gestellt werden, obwohl Offenkundiges weder Mitglied der IGS ist, noch Fördergelder vom Staat erhält, noch in irgendeiner Weise von den Fördergeldern profitiert, die an die IGS fließen.

Benötigen Muslime Förderung vom deutschen Staat oder gar Staatsverträge?

Ich sage nein. Wir Muslime brauchen keine finanzielle Förderung vom deutschen Staat, zumindest nicht unter den gegebenen Umständen. Ich bin der Ansicht, dass staatliche Förderung Abhängigkeit schafft und angreifbar macht. Darüber hinaus betrachte ich es aus religiöser Sicht so, dass islamische Gemeinden und Verbände stets und möglichst selbst für ihre Kosten aufkommen sollten, und kostspielige Projekte erst durchführen sollten, wenn sie diese selbst finanzieren können. Auch Staatsverträge sind offensichtlich zum jetzigen Zeitpunkt entbehrlich.

Finanzielle Förderungen schaffen Abhängigkeit. Die Vergabe von Geldern ist an Bedingungen gebunden, sowohl an solche, die schriftlich festgehalten werden, als auch an politische, die nicht immer schriftlich festgehalten werden müssen. Wichtigste Bedingung ist bei muslimischen Verbänden wohl die Treue zum Grundgesetz und das Bekenntnis zur freiheitlich-demokratischen Grundordnung. Was manch ein Politiker alles unter Letzterer fasst, ist nicht selten aus muslimischer Sicht kritisch zu betrachten, wie z. B. die Anerkennung des Existenzrechts Israels, selbst als Apartheidstaat.

Eine solche Abhängigkeit vom Geldgeber ist unnötig. Man unterwirft sich damit einem Druck, der die eigene islamische Arbeit eher erschwert als erleichtert. Gibt man einem solchen Druck nach, folgen weitere Forderungen. Es ist nur eine Frage der Zeit, bis die Bundesregierung öffentlich Druck auf Geförderte wie die IGS ausübt.

Der Staat fördert Muslime nicht aus Selbstlosigkeit

Für die Arbeit eines islamischen Verbandes bedeutet die staatliche finanzielle Förderung auch, dass der Förderer die Arbeit des Geförderten zumindest an den Stellen kontrolliert, für die das Geld vorgesehen ist. Das ist der Hauptgrund, weshalb ein Staat überhaupt islamische Verbände fördert: Er will sie mit netten Gesten an seine eigene Herrschaftsordnung binden. Daran zu glauben, dass der Staat aus völliger Selbstlosigkeit ohne jegliches Eigeninteresse islamische Arbeit fördern würde, zeugt von Unkenntnis über die tatsächlichen Ziele und Absichten eines Staates in Sachen finanzielle Förderung.

Neben der Kontrolle erfolgt eine Richtungsweisung. Der Staat bestimmt selbst, welche Projekte er fördert, nicht der Verband. Dementsprechend müssen Projekte den Vorgaben des Staates angepasst werden. Der deutsche Staat würde z. B. niemals Projekte fördern, die zum Ziel haben, bei Jugendlichen die Treue zum verborgenen zwölften Imam zu stärken. Hingegen werden Projekte gefördert, denen quasi ein Selbsteingeständnis des Verbandes vorausgeht, in seinen eigenen Reihen seien Extremisten unterwegs, gegen die etwas unternommen werden müsse.

Natürlich gibt es unter den Schiiten Extremisten, aber der deutsche Staat hat sicher kein Interesse daran, gegen Schirazis vorzugehen, sind diese doch politisch sehr zurückhaltend gegenüber der Westlichen Welt und in Sachen Palästina mit dem Westen faktisch auf einer Linie. Nein, für den deutschen Staat sind Schiiten extremistisch, wenn sie sich zur Islamischen Revolution bekennen, Imam Chamenei folgen, Besatzung ablehnen, gegen jegliche Unterdrückung einstehen und sich für die vornehmlich durch den Westen Unterdrückten einsetzen. Selbstverständlich sollte kein schiitischer Verband ein Interesse daran haben, solche Geschwister an den Pranger zu stellen oder zu verhindern, dass die schiitische Jugend auf einem solchen Pfad schreitet.

Staatliche Förderung von Muslimen ist Teil des Weichen Krieges. Durch Richtungsweisung und inhaltliche Kontrolle wird bestimmt, was Muslime zu denken und zu glauben haben. Die Richtlinien sind klar und eng. Einen eigenen Ermessensspielraum gibt es kaum. Wird z. B. der falsche Referent eingeladen oder wird das falsche Thema behandelt, kann es zu einem Konflikt mit dem Förderer und sicher auch mit den Medien kommen. Diese Gefahr führt nicht selten zu vorauseilendem Gehorsam, bei dem der Verband von vornherein bestimmte Referenten für Seminare oder Workshops ausschließt.

Staatliche Förderung ist längst nicht gleichbedeutend mit politischer, rechtlicher oder gesellschaftlicher Anerkennung. Ein Verhältnis des Verbandes zum Staat auf Augenhöhe gibt es ohnehin nicht. Im Falle der IGS ist es sogar so, dass sie die Förderung der Bundesregierung bzw. der EU nicht direkt erhält. Die Gelder gelangen durch Vermittler an die IGS, wie z. B. durch die Türkische Gemeinde Deutschland (TGD), die für den Staat kontrolliert (!), ob die IGS ein zuverlässiger Partner ist. Richtig: Ein anderer Verband kontrolliert den geförderten Verband auf seine Zuverlässigkeit. Eine perfidere Methode, Muslime gegeneinander auszuspielen, gibt es nicht.

Fördergelder können zur Zusammenarbeit mit Zionisten führen

Ein weiterer Kooperationspartner, der sich laut Bundesregierung an der Abwicklung der IGS-Förderung beteiligt, ist der Verein Ufuq.de – Jugendkulturen, Islam & politische Bildung. Vorsitzende dieses Vereins sind Samira Jamal, Dr. Jochen Müller und Dr. Götz Nordbruch. Die beiden Doktoren waren zusammen mit einem weiteren Team-Mitglied von Ufuq.de, Mirjam Gläser, von 2003 bis 2007 Mitarbeiter des Berliner Büros des Middle East Media Research Institute (MEMRI), welches Muslimen vor allem als MEMRI-TV bekannt ist. Müller war sogar Leiter des Büros. MEMRI ist eine durch und durch zionistische Einrichtung und hat das Ziel, durch Veröffentlichungen bestimmter Videos und Schriftwerke sowie Übersetzungen dem Bild des Islams und der Muslime im Westen zu schaden. Es wurde u. a. von Yigal Carmon gegründet, einem laut Jüdischer Allgemeine ehemaligen Mitglied des israelischen Geheimdienstapparates. Müller und Nordbruch gründeten unmittelbar nach ihrem Ausscheiden aus dem Berliner Büro von MEMRI im Jahr 2007 den Verein Ufuq.de und nahmen ihre ehemalige Kollegin Gläser mit ins Boot.

Drei offensichtlich zionistische Aktivisten sind also durch ihren anti-islamisch ausgerichteten Verein Ufuq.de Kooperationspartner der IGS und entscheiden mit, wofür die IGS die von der EU erhaltenen Fördergelder verwenden darf. Verwaltet wird dieser Fördertopf übrigens vom Bundeskriminalamt.

Von Befürwortern des Erhalts von Förderungen wird stets behauptet, dass einzelne Politiker sich nicht von medialer Hetze beeindrucken ließen und an ihren Versprechen festhielten. Auch die Bundesregierung lasse sich nicht kleinkriegen. Die Frage ist nur: Wie lange noch? Im Falle von DITIB, welche ein langjähriger Projektpartner des Staates war, wurden sämtliche „freundschaftliche Bindungen“ von einem Tag auf den anderen aufgekündigt. Plötzlich ist die DITIB in Deutschland das Böse schlechthin. Nicht, dass die DITIB hierfür etwas kann, nein, alleiniger Grund ist offensichtlich die Politik der türkischen Regierung, die der deutschen Regierung widerstrebt.

Staatsverträge bringen keine zusätzlichen Rechte

Staatsverträge bergen ähnliche Risiken und sind ebenso ineffektiv. Hierzu sagt die DITIB Nord auf ihrer Internetseite im Rahmen der Vorstellung des Staatsvertrages in Hamburg: „Durch den Vertrag werden keine neuen Rechte geschaffen, vielmehr ist es eine Wiederholung und Zusammenfassung verfassungsrechtlich und gesetzlich garantierter Rechte und Pflichten.“

Man hat schon alles, was man haben möchte, will aber noch einen Staatsvertrag, der dazu führt, dass man sich Bedingungen verpflichtet, die man ohnehin bereits einhält. Zudem sind z. B. eine Schura Hamburg oder Schura Niedersachsen eine mehr als heterogene Gemeinschaft. Politische Ansichten können dort sehr weit auseinandergehen. Das führt auch hier in perfider Weise dazu, dass Muslime gegeneinander ausgespielt werden, wie man vor allem bei der Schura Hamburg beobachten kann. Dort werden alle anderen wegen einer vermeintlichen Haltung zum Quds-Tag gegen das IZH aufgehetzt, oder gegen einen Mustafa Yoldas, oder auch mal gegen beide. Schlussendlich versuchen einige sich als äußerst loyale Staatsbürger zu profilieren und stellen sich gegen die eigenen Glaubensgeschwister und auf die Seite des Staates und der pro-zionistischen Medien, wie im Falle des Schura-Vorsitzenden Daniel Abdin. Das ist Teile und Herrsche 2.0.

Staatsverträge sind ein derzeit gescheiterter Versuch, den Islam auf den Weg einer rechtlichen Anerkennung als Religionsgemeinschaft bzw. Körperschaft des öffentlichen Rechts zu bringen. Aber hat ein solcher Formalismus bei Muslimen Priorität? Haben Muslime nicht ganz andere Probleme? Sollten Muslime nicht zunächst ihre eigene Einheit intern fördern? Sich eigenständig finanziell aufbauen? Auf ihre Jugend achten? Ihre Moscheearbeit der Gegenwart und den damit verbundenen Herausforderungen anpassen?

Klar sollen wir Muslime mit dem Staat in Kontakt stehen, mit diesem und mit anderen Religionsgemeinschaften sprechen, sie über den wahren und friedlichen Charakter des Islams aufklären, ihnen zeigen, dass wir Muslime ein wichtiger Teil der Gesellschaft sind und an den Stellen, an denen es möglich ist, auf Basis von gegenseitigem Respekt mit dem Staat zusammenarbeiten.

Wir sollten uns aber nicht ungewappnet dem Staat anbieten und uns ihm in jeder Hinsicht unterwerfen. Wir brauchen zunächst innere Stärke, innere Einheit und inneren Zusammenhalt. Wir brauchen Mut und Stärke nach außen, Unabhängigkeit und völlige Autonomie in der islamischen Arbeit. Wir Muslime müssen selbst bestimmen, welche Ausrichtung und Schwerpunkte unsere Arbeit in den islamischen Gemeinden hat, nicht andere. Solange wir nicht eine starke Einheit bilden, sollten wir nicht mit Bitten an den Staat herantreten oder vermeintlich anerkennende Angebote des Staates annehmen, welche letztlich nur dazu führen, dass man seine Ideale verscherbelt.