Die wichtigste Lektion eines Kindes ist es, ein Verständnis für den Sinn des Lebens zu erlangen, damit es sich und sein Umfeld verstehen kann. Eine Geschichte muss unterhaltsam sein, im Kind Neugierde wecken und seine Fantasie fördern. Eine gute Geschichte vermittelt die elementaren Konflikte und Herausforderungen jedes Menschen.

Viele Eltern sind der Meinung, ihre Kinder dürften nur die gute Seite des Lebens kennenlernen: Sie sollten kein Leid kennen, keine Sorgen ertragen. Dabei ist doch im Leben der Kampf gegen alle Widrigkeiten unausweichlich. Die klassischen Märchen bringen den Kindern diese Wahrheit auf harmlose aber intensive Weise nahe.

In der Regel geben die Märchen einen essentiellen Konflikt wieder. Die Märchenfiguren entsprechen dabei keinen realen Menschen; sie sind nie gleichzeitig gut und böse, sondern nehmen immer Extreme an. Das Gute und Böse sind in Märchen ständig präsent, aber nie gleichzeitig in einer Figur. Das vereinfacht den Konflikt, seine Darstellung und Aufnahme durch das Kind. Dadurch kann es sich besser mit den Figuren identifizieren. Der Konflikt selbst repräsentiert die Emotionen und inneren Zustände eines einzelnen Menschen, spiegelt sein Inneres wider.

Das Kind wird durch diese Märchen den Begriff Stiefmutter mit Gefühlen wie Hass, Neid und Boshaftigkeit in Verbindung setzen, während Cinderella oder Schneewittchen für das Gute stehen, die Sicherheit, Aufrichtigkeit und Ehrlichkeit. Am Ende siegt immer das Gute, in dem es sich dem Bösen stellt, sich nicht mehr versteckt, ausweicht, verstellt oder sich selbst bemitleidet – alles Stadien vor der befreienden Konfrontation. Werte wie Geduld, Ausdauer und Liebe sind die Lehren von Märchen, eben die Werte, die jedes Kind lernen muss. So lernt es, das Böse zu bezwingen, in dem es sich ihm stellt, damit Frieden und Gerechtigkeit herrschen.

Das Gute wird in der Regel durch ein kleines unschuldiges Mädchen repräsentiert, das nur Großzügigkeit kennt. Ihre Rolle ist beliebt und gibt dem Kind ein Verständnis von Moral. Ist nun in unserer Seele auch diese Dualität von Gut und Böse?

„Nein, ich schwöre bei der Seele, die sich selbst tadelt.“ (Heiliger Quran, 75:2) – Die Seele tadelt uns, regt uns zum Guten an. Aber gleichzeitig neigt sie auch zur Falschheit, zu Egoismus und Unmoral: „Die Seele gebietet ja mit Nachdruck das Böse, außer mein Herr erbarmt sich.“ (Heiliger Quran 12:53)

Beide Neigungen sind in der Seele, im Nafs, zwei Kräfte, die uns treiben und ziehen wollen: „Und (bei dem, der) ihr ihre Lasterhaftigkeit und ihre Frömmigkeit (Taqwa) eingibt!“ (91:8)

Selbstverständlich ist das Vorlesen von Märchen eine gute Erziehungsmethode und deshalb sollten wir Erwachsene auch nie das Lesen vernachlässigen. Noch sollten wir es versäumen, selbst die Inhalte genau zu studieren und zu begreifen. Und so ist es auch mit dem heiligen Quran: Der Quran ist ein Licht und er kann nur mit spirituellen Augen und einem reinen Herzen verstanden werden, ohne die Hexe oder Stiefmutter in sich zu tragen.