Er hat es gewagt: Er hat die Klage eines Israelis als unbegründet abgewiesen. Der normale Gang der Dinge wäre hiernach eigentlich, dass der betroffene Kläger und dessen Anwalt sich ein wenig aufregen und schließlich gegen das ablehnende Urteil Berufung einlegen. Nicht aber in diesem Fall. Angesichts der Reaktionen könnte man meinen, der zuständige Richter am Landgericht Frankfurt hätte schlimmste Rechtsbeugung begangen.
Ein Israeli hatte von Deutschland aus bei Kuwait Airways (KAC) einen Flug von Frankfurt nach Bangkok mit fünfstündigem Zwischenstopp in Kuwait-Stadt gebucht. Nach Mitteilung seiner möglicherweise nicht einzigen Staatsangehörigkeit – ich vermute, dass er auch die deutsche Staatsangehörigkeit besitzt – stornierte die staatliche Fluggesellschaft den bei ihr gebuchten Flug des Israelis und bot diesem an, die Kosten für einen Flug mit einer anderen Airline von Frankfurt nach Bangkok zu übernehmen. Sie begründete die Stornierung mit einem kuwaitischen Gesetz, das ihr unter der Androhung von Strafe verbiete, einen Israeli zu befördern.[1] Der Israeli lehnte das Angebot eines alternativen Fluges auf Kosten der Airline ab. Er wollte, dass die KAC selbst ihn befördert. Hierauf klagte er schließlich vor dem Landgericht Frankfurt. Für den Fall, dass diese Forderung nicht durchgeht, klagte er auch auf Schadensersatz gegen die Fluggesellschaft wegen Diskriminierung.[2]
Am 16. November verkündete das Landgericht durch den Einzelrichter das klageabweisende Urteil. Und was in den darauffolgenden Tagen geschah, dürfte für den Richter alles andere als ein Zuckerschlecken gewesen sein. Werden Gerichte von normalen Klägern und Beklagten grundsätzlich als neutrale Spruchkörper betrachtet, gilt dies offensichtlich nicht im Falle eines israelischen Klägers, dessen Klage abgewiesen wurde. Kaum ein Blatt berichtete nicht in scharf verurteilender Form von der Entscheidung des Gerichts, kaum ein Blatt übernahm nicht ohne weitere Nachfragen die Version des Klägers. Höhepunkt der Hexenjagd gegen den zuständigen Richter ist die Veröffentlichung seines Namens und Bildes in der pro-israelischen Bildzeitung. Dieses Blatt rühmt sich unter dem Titel „Urteil der Schande“ sogar damit, dem Richter eine Reihe von Fragen zu dem Urteil übersandt zu haben, darunter z. B.: „Steht kuwaitisches Recht jetzt über deutschem Recht? Dass Juden in Deutschland wieder bestimmte Verkehrsmittel nicht benutzen dürfen – woran erinnert Sie das in der deutschen Geschichte? Wie kommen Sie zu dem Urteil, dass antisemitische Boykottgesetzgebung und ihre Folgen für Juden in Deutschland erträglich ist?“ Methoden der Unterwelt, selbstlobend dargestellt bei Axel Springer.
Dabei hat der Richter schlicht deutsches Recht nach Schema F angewandt. Der Airline ist die Beförderung rechtlich unmöglich, da ihr nach kuwaitischem Recht Sanktionen drohen. Deshalb konnte sie die Leistung verweigern. Man kann natürlich darüber streiten, ob einer staatlichen Airline rechtliche Schritte drohen, wie sie einer privaten Airline drohen würden, aber letztlich dürfte auch in Kuwait der Grundsatz gelten: Vor dem Gesetz sind alle gleich.
Ob der Aspekt der mangelnden Erteilung eines Transitvisums für den Flughafen Kuwait-Stadt im Urteil angesprochen wurde, ist nicht klar, da die vollständige Urteilsbegründung (noch) nicht veröffentlicht wurde.
Weiter kann man auch darüber diskutieren, ob ein deutsches Gericht vor dem Hintergrund eines existierenden sogenannten ordre public[3] ein ausländisches Boykottgesetz kommentarlos und ohne jegliche Wertung hinnehmen muss, wobei zwischen Hinnahme und Anwendung eines Gesetzes ein nicht unerheblicher Unterschied liegt. Das Berufungsgericht wird sicher hieran zu knabbern haben, aber mit „Schande“ (Bild) hat diese Vorgehensweise sicher nichts tun. Im Gegenteil: Das Gericht hat erklärt, dass ein solches Boykott-Gesetz vergleichbar mit Sanktionsgesetzen gegen andere Staaten ist – im Urteil werden laut Angaben der Springerpresse explizit die Länder Nordkorea und Iran genannt. Die Wut der pro-zionistischen Lobby über diesen Vergleich war vorprogrammiert.
Hinsichtlich einer etwaigen Diskriminierung und eines hierauf basierenden Schadensersatzanspruches gemäß Allgemeinem Gleichbehandlungsgesetz (AGG) verwies das Gericht zurecht darauf, dass eine Entschädigung wegen einer Diskriminierung aufgrund der Staatsangehörigkeit im AGG nicht vorgesehen ist. Auch eine sogenannte mittelbare Diskriminierung, die greifen würde, wenn das Merkmal der Staatsangehörigkeit (Israeli) nur vorgeschoben wäre, es aber eigentlich um die Religionszugehörigkeit des Betroffenen (Judentum) ginge, liegt nicht vor. Diese rechtliche Wertung ist korrekt, denn das Boykott-Gesetz des Staates Kuwait richtet sich nicht gegen das Judentum oder gegen Juden, sondern ausdrücklich gegen das Regime namens Israel und dessen Angehörige. Dass die pro-zionistische Szene auch an dieser Stelle vor Wut kocht, verwundert nicht, denn sie versucht alles Erdenkliche, das Credo vom „Jüdischen Staat“ zu propagieren und jede Maßnahme gegen oder zulasten Israels und Angehöriger dieses Regimes als Antisemitismus zu brandmarken.
Die Reaktionen der Anhänger des Zionismus waren absehbar, man könnte fast meinen, dass sie sich ein solches Urteil gewünscht hätten. Bereits im Spätsommer, nachdem der Fall bekannt wurde, bauten sie eine Drohkulisse gegen das Landgericht Frankfurt und vor allem gegen die Airline auf.[4]
Aus diesem Fall ergeben sich dennoch Fragen, die zumindest außerhalb des Gerichtssaals gestellt werden müssen: Warum will ein Israeli unbedingt mit der KAC von Frankfurt nach Bangkok reisen? Warum nimmt er das Angebot der Airline zu einer Umbuchung bei einer alternativen Airline nicht an, sondern beharrt auf der Beförderung durch KAC?
Offenbar wollte man es auf einen Gerichtsprozess gegen die KAC ankommen lassen, nachdem es bereits in den USA im Jahr 2015 zu einem Prozess gegen die Airline gekommen war, der zugunsten des Klägers ausging.[5] Ein solches Exempel wollte man möglicherweise auch in Deutschland statuieren. Und für den Fall eines negativen Ausgangs hätte man Israelis als Opfer stilisieren können. Aber nicht als Israelis, sondern als Juden. Den europäischen Juden muss mit aller Macht verdeutlicht werden, dass sie nicht erwünscht wären, dass sie ihre ihnen zustehenden Rechte nicht zugesprochen bekämen, dass sogar ein deutsches Gericht ein „antisemitisches Urteil“ fällen könnte. Je stärker und verbreiteter der Antisemitismus, zumindest in der Darstellung der Zionisten, desto eher die Bereitschaft, vor allem junger Juden, die Alija zu vollziehen, also die Ausreise ins „Eretz Israel“. Selbstverständlich mit großzügiger Hilfe der größten Unterstützerorganisation Israels, der Keren Hayesod[6]. Diese Vereinigung darf auch in Deutschland unbehelligt Spenden für das Apartheidsregime Israel sammeln. Diese Spenden kommen nicht zuletzt der Armee des zionistischen Regimes zu Gute, welche für zahlreiche Massaker an palästinensischen und libanesischen Zivilisten verantwortlich ist.
Auf der anderen Seite kann es aber auch sein, dass der Kläger und dessen Anwalt als auch die begleitende pro-zionistische Presse sich enorm verschätzt haben und Letztere deshalb umso heftiger um sich schlägt, denn Ausmaß und Art der Reaktionen erscheinen selbst für zionistische Verhältnisse übertrieben.
Ein erstes Etappenziel haben sie bereits erreicht: Das Bundesland Hessen will Start- und Landerechte der KAC am Frankfurter Flughafen prüfen.[7] Problematisch nur, dass auch andere Länder, deren Airlines in Deutschland starten und landen, aufgrund der Gesetze ihrer Heimatländer keine Israelis befördern dürfen. Dass durch den Entzug der Start- und Landerechte für den Flughafen Frankfurt und für das Land Hessen ein nicht unerheblicher wirtschaftlicher Schaden entstünde, ist vermutlich zweitrangig, denn der Schutz Israels ist bekanntlich Staatsräson und steht, wie nicht zu verkennen ist, an erster Stelle.
Der zuständige Richter am Landgericht Frankfurt jedenfalls wird dieses Urteil sicher nicht so schnell vergessen, dafür haben die Schergen des Zionismus in Deutschland gesorgt.
Das kuwaitische Gesetz Nr. 21 von 1964 enthält u. a. die Regelung, dass jegliche Form des Handels oder von Finanztransaktionen mit Israelis verboten und jegliche Zuwiderhandlung mit Strafe bedroht ist ↩︎
https://www.juris.de/jportal/portal/page/homerl.psml?nid=jnachr-JUNA171105728&cmsuri=%2Fjuris%2Fde%2Fnachrichten%2Fzeigenachricht.jsp ↩︎
Der ordre public ist ein Grundsatz, der vor allem im internationalen Privatrecht zur Anwendung gelangt, wenn das Gesetz eines anderen Landes der eigenen Werteordnung widerspricht. Das Gericht wendet dass ausländische Recht in einem solchen Fall nicht an. ↩︎
http://www.fr.de/rhein-main/flughafen-frankfurt/kuwait-airways-israeli-will-flug-erzwingen-a-1342006 ↩︎
Ebenda. ↩︎
http://www.fr.de/rhein-main/landespolitik/kuwait-airways-hessen-sendet-signal-gegen-antisemitismus-a-1395197 ↩︎