Nach dem Abendgebet drehte sich Ayatullah Ramezani zu den hunderten Betenden um: „Das war meine letzte Gebetsleitung als Imam dieser Moschee. Ich übergebe die Leitung des Gebets als Zeichen der Imama (Führung) an den neuen Imam Dr. Mofatteh.“ Scheich Mofatteh trat vor und leitete das Nachtgebet. Es war die Szene des Abends in der gestrigen Abschiedszeremonie. Nach dem Nachtgebet verabschiedeten sich Alt und Jung aus ganz Europa tränenreich von Ayatullah Ramezani und begrüßten Scheich Mofatteh.

Ayatullah Ramezani übergibt Gebetsleitung
Ayatullah Ramezani übergibt nach dem Abendgebet die Gebetsleitung an Scheich Mofatteh © Islamisches Zentrum Hamburg

Ayatullah Ramezanis Amtszeit im IZH

Im Mai 2010, einige Monate nach dem Amtseintritt von Ayatullah Ramezani als Leiter des Islamischen Zentrums Hamburg und Vertreter Imam Chameneis in Europa, erlebte der neue Imam die erste Medienkampagne gegen des IZH in seiner Amtszeit: Hamburger Abendblatt (Springer) [1], Hamburger Morgenpost [2], TAZ [3], RTL berichteten unisono über die vermeintlich radikale Moschee, die Hasspredigten und den „unzugänglichen, von Ahmadinedschad geschickten Aufpasser“ Ayatullah Ramezani. Anlass war die Islamische Tagung deutschsprachiger Muslime des Islamischen Wegs e.V., die mit Unterstützung von Ayatullah Ramezani nach siebenjähriger Pause wieder im IZH stattfinden konnte. Die Einschüchterungsversuche prallten an Ayatullah Ramezani ab. Er ließ sich weder von Reportern beeindrucken, die trotz Verweis mit Kamera in die Moschee eingedrungen waren, noch von Versuchen, von einem Nachbarbalkon das Moscheegelände zu filmen. Eine neue Souveränität war ins IZH eingezogen.

In den neun Jahren seiner Amtszeit intensivierte Ayatullah Ramezani mit seinem Mitarbeiterkreis die vielfältigen Aktivitäten des IZH in einer bis dato unbekannten Weise. Neben zahlreichen Dialogveranstaltungen mit Christen, Juden und Andersgläubigen initiierte er die Veranstaltung zur Einheitswoche im IZH [4], begründete die erste schiitische Hauza (Theologielehre), die Islamische Akademie Deutschland [5], machte den Tag der offenen Moschee im IZH bundesweit bekannt [6], etablierte den jährlichen internationalen Quranwettbewerb [7], führte das jährliche Itikaf (spirituelle Zurückgezogenheit) [8] auf ein neues Niveau und vieles mehr.

Darüber hinaus engagierte sich Ayatullah Ramezani als islamische Stimme der Vernunft in aktuellen gesellschaftlichen Debatten, beispielsweise dem sog. liberalen Islam [9], der Ehe für alle, der Unterdrückung in Palästina und im Jemen, der Kopftuchdebatte [10], der Einmischung des Staates in die Religionen und die Medienhetze gegen Muslime in Deutschland [11].

Der Islam der Vernunft

Schon 2012 sagte er in einem Interview mit dem Muslim-Markt: „Die erste Pflicht des Zentrums ist es, einen moderaten Islam zu repräsentieren, welcher fern von jeglichem Extremismus ist. Dieses Zentrum bringt die Vernunft im Islam in den Vordergrund und erklärt somit dessen Rechtschaffenheit und nimmt die erleuchtenden Anweisungen dieser Religion in Schutz.“ [12]

Diesem Selbstanspruch ist er treu geblieben, wie es das IZH-Beiratsmitglied Farahian in der gestrigen Abschiedsveranstaltung formulierte: „In Ihre Amtszeit fiel der Höhepunkt der Islamfeindlichkeit und des medialen Beschusses gegen die Muslime in Deutschland und unser Zentrum. Sie haben diese stets besonnen, souverän und umsichtig abgewehrt und den Islam der Wahrhaftigkeit repräsentiert. Ich danke Gott, dass ich Ihre Leitung der Moschee miterleben durfte.“

Ein Student der Islamischen Akademie Deutschland formulierte es in seinem Grußwort so: „Wie passend, dass wir zum Fest von Ghadir die Übergabe der Moscheeleitung begehen dürfen, auch wenn wir sehr traurig sind, dass Sie gehen. Sie haben vor allem uns Jugendlichen viele Türen geöffnet und uns eine spirituelle Atmosphäre geschaffen, die wir nicht kannten. Gleichzeitig schlossen Sie die Türen der Unterdrückung, setzten sich immer für die Schwachen ein. Das hat die Jugendlichen sehr beeindruckt.“

Schließlich kündigte der Leiter der Dialogabteilung des IZH und Moderator des Abends Mohammad Ale Hosseini den letzten Vortrag von Ayatullah Ramezani als Imam der Moschee an. Ayatullah Ramezani bedankte sich bei den zahlreichen nationalen und internationalen Ehrengästen, Gelehrten und Gemeindeleitern für ihr Erscheinen und dankte seinen Mitarbeitern für all die Jahre der vertrauensvollen Zusammenarbeit. „Die Lehre von Ghadir ist es, dass jene die Führungsverantwortung erhalten, die geeignet sind. Ghadir bedeutet, gegen die umayyadische und abbasidische Unterdrückung aufzustehen und durch das Tor (Imam Ali) zur Stadt des Wissens (Prophet Muhammad) zu gelangen.“

Er betonte die Herausforderungen durch die Kampagnen gegen den Islam in Deutschland, die Verstellung der quranischen Lehren und den Weg des reinen Islams als einzige Antwort. „Der Islam ist die Gnade für alle Menschen, die Botschaft des Friedens. Gleichzeitig weist er jede Unterdrückung zurück. Das ist der Islam der Mitte, die Denkweise dieses Zentrums der letzten Jahre und der nächsten Jahre unter Scheich Mofatteh. Der deutsche Staat hat sie zu respektieren. Wir stellen uns gegen jede Form des Terrorismus, gleich ob sie in Deutschland, Frankreich oder in Palästina verübt wird. Ebenso weisen wir die Trennung von Quran und Religionsgesetz zurück. Es gibt keinen Islam ohne die göttlichen Weisungen. Scheich Dr. Mofatteh steht für genau diese Denkweise des Islams der Gnade, Spiritualität und des Dialogs und wird den Weg dieses Zentrums fortführen.“

Eine bewegende letzte Rede des Mannes, den eine ganze Generation junger Muslime als den einzigen Leiter des Zentrums kannte und ehrte.

Dann übermittelte der Sonderabgesandte von Imam Chamenei, Ayatullah Qumi, die Grüße der Mardschas zum Fest von Ghadir und betonte den spirituellen Charakter jeder Wirklichkeit, insbesondere die Heiligkeit der Imam-Ali-Moschee und wie sie an die Heiligkeit der in ihr wirkenden Menschen gekoppelt ist. Dazu berichtete er von einer wundersamen Begegnung eines früheren Imams des IZH, Scheich Mohaqeqi, mit Radschab Ali, die auch im Buch „Elixier der Liebe“ [13] zu finden ist.

Ayatullah Qumi
Ayatullah Qumi, Sonderabgesandter von Imam Chamenei © Offenkundiges

Ayatullah Qumi schloss sein Grußwort mit der Begegnung eines europäischen Staatsführers mit Imam Chamenei. Der hatte nach Abschluss der offiziellen Gespräche Imam Chamenei gefragt: „Wie stehen Sie zum Dialog mit den Christen?“
Imam Chamenei antwortete: „Wir setzen uns stets für den Dialog mit den Vertretern des Christentums ein. Christen sind ein geachteter Teil unseres Volkes (Iran) und unserer Gesellschaft.“
Da entgegnete der Staatsführer: „Wenn das so ist, warum fördern Sie denn nicht den Dialog zwischen Schiiten und Sunniten?“
„Für einen Dialog bedarf es zweier Seiten“, antwortete Imam Chamenei. „Aber es gibt keine zwei getrennten Seiten unter Schiiten und Sunniten. Beide sind eins, sie sind nicht bloß unsere Geschwister, sondern unser Selbst.“

Scheich Dr. Mofatteh: Kurzbiografie und Rede zur Amtseinführung

Muhammad Hadi Mofatteh, Sohn des berühmten Märtyrers Ayatullah Mofatteh [14], begann nach seiner Hochschulreife 1985 mit den Hauptfächern Mathematik und Physik ein Studium der Elektrotechnik an der Universität Teheran, das er, verzögert durch die Wirren des Krieges gegen die junge Islamische Republik, 1991 mit dem Bachelor beendete. Anschließend widmete er sich dem Theologiestudium, lernte von weltbekannten Gelehrten wie Imam Chamenei und Ayatullah Dschawadi-Amuli. Nach dem Abschluss des Masters 1996 begann er sein Promotionsstudium, das er 2004 mit der Arbeit „Über die Ableitung von Staatsführungstheorien aus dem Quran und der Sunna“ abschloss.

Während seiner Promotion hatte er zahlreiche Ämter inne, darunter die Leitung des Radiosenders „Stimme der Islamischen Republik“ sowie weiterer Radionetzwerke. Gleichzeitig lehrte er bereits als Gelehrter an der Hauza in Qum.

Er schrieb mehrere Bücher über Themen der Theologie und Gesellschaft, darunter auch ein Vergleich der biblischen mit den quranischen Lehren, ist als Autor in Onlinemedien aktiv und lehrte zuletzt an dem Institut für Theologie und Bildung in Qum.

Hudschat-ul-Islam Mofatteh
Hudschat-ul-Islam Mofatteh © Islamisches Zentrum Hamburg

Mit Spannung folgte die erste Rede des neuen Leiters Scheich Dr. Mofatteh. Er erzählte, wie er schon als Kind erstmals von dem Islamischen Zentrum Hamburg gehört hatte: Damals besuchte Ayatullah Beheschti seinen Vater und berichtete ihm von seiner Zeit als Leiter des IZH. Die Erzählungen der Moschee in Deutschland hatten in dem jungen Mohammad Hadi schon damals Interesse geweckt. „Ich bin dankbar und geehrt, nach solch großen Persönlichkeiten wie Ayatullah Beheschti, Ayatullah Mohaqeqi und Ayatullah Ramezani dieses Amt als zehnter Imam der Moschee einnehmen zu dürfen. Ich möchte den Muslimen in Deutschland dienen und bitte um Ihre Gebete und den Beistand Gottes, meinen Dienst erfüllen zu können.“ Seine Leitlinie sieht er in der Vorstellung der göttlichen Moral, der Gnade des Islams und der Gerechtigkeit der göttlichen Werte – entgegen der Zerrbilder, die vom Islam gezeichnet werden.

Die Veranstaltung schloss mit den Abschiedsworten von Dr. Yavuz Özoguz an Ayatullah Ramezani: „Ich spreche zu Ihnen im Namen der deutschsprachigen Anhänger Imam Chameneis: Wenn Imam Chamenei unsere Blume der Liebe ist, so waren Sie für uns der Duft dieser Blume. Auch wenn Sie uns nun verlassen, so wird der Duft der Blume immer bleiben.“

Dr. Yavuz verabschiedet Ayatullah Ramezani
Dr. Yavuz Özoguz verabschiedet Ayatullah Ramezani © Offenkundiges

Auch wir von der Redaktion Offenkundiges bedanken uns für all die segensreichen Jahre mit Ayatullah Ramezani und wünschen dem neuen Imam Scheich Mofatteh den Segen und den Beistand Gottes in diesem wichtigen Amt.


  1. https://www.abendblatt.de/hamburg/article106509659/Islamisten-mit-Alsterblick.html ↩︎

  2. https://www.mopo.de/moschee-an-der-alster-wird-hier-hass-gepredigt---21237946 ↩︎

  3. http://www.taz.de/!5135889/ ↩︎

  4. http://www.izhamburg.de/newindex.aspx?pid=99&ArticleID=185288&title=7.%20Konferenz%20zur%20Woche%20der%20islamischen%20Einheit ↩︎

  5. https://offenkundiges.de/islamische-akademie-deutschland-eroffnet-neues-hauptgebaude-in-hamburg/ ↩︎

  6. http://izhamburg.de/index.aspx?pid=99&articleid=189694 ↩︎

  7. http://izhamburg.de/index.aspx?pid=99&articleid=193968 ↩︎

  8. https://offenkundiges.de/itikaf-2018-in-der-imam-ali-moschee-ein-erlebnisbericht/ ↩︎

  9. https://offenkundiges.de/die-ibn-rushd-goethe-moschee-liberaler-als-der-islam-erlaubt/ ↩︎

  10. https://offenkundiges.de/ayatullah-ramezani-uber-die-kopftuchdebatte-in-deutschland-und-osterreich/ ↩︎

  11. https://offenkundiges.de/ayatullah-ramezani-uber-die-kopftuchdebatte-in-deutschland-und-osterreich/ ↩︎

  12. http://www.muslim-markt.de/interview/2012/ramezani.htm ↩︎

  13. https://www.eslamica.de/buecher-nach-themen/biografien-historisches/490/elixier-der-liebe-die-mystische-welt-des-radschab-ali?number=B0091 ↩︎

  14. http://www.eslam.de/begriffe/m/mofatteh.htm ↩︎