Als ich von der Veröffentlichung des Buches „Sexuelle Probleme der Jugend“ erfuhr, freute ich mich sehr, denn obwohl es viele Jugendliche und mich selbst beschäftigt, wurde das Thema in meinem Umfeld bisher noch nie offen angesprochen. Ich selbst bin 19 Jahre alt, arabischer Herkunft und dennoch bin ich dieser Problematik in Jugendtreffen und anderen Veranstaltungen bisher nicht begegnet. Es folgt ein Kommentar zum Buch „Sexuelle Probleme der Jugend“, geschrieben von Ayatullah Makarim Schirazi.
Ich habe die wertvolle Gabe von Gott erhalten, in einem sehr reinen und guten Umfeld aufgewachsen zu sein. Wöchentliche Moscheebesuche, eine stabile und religiöse Familie und kaum negative Einflüsse durch Schulkollegen trugen ihren Teil dazu bei. Trotzdem wurde ich mit dieser Thematik konfrontiert. Dies begann in der neunten Klasse mit dem Sexualunterricht. Erst jetzt kamen Gedanken sexueller Art in mir auf; ein Beweis, dass diese Art des Unterrichtes Ursprung und definitiv Förderung dieser Problematik ist. Dieser Unterricht ist hierzulande Folge des Umgangs mit Sexualität insgesamt, besonders in den Medien. Die fehlende Scham schleicht sich in jeden Bereich ein und will Groß und Klein zwingen, ständig sexuelle Gedanken zu haben. Dass Filme und Serien davon überfüllt sind, ist bekannt, aber mittlerweile kann man nicht mehr durch eine Innenstadt gehen, ohne Werbung mit sexuellen Anspielungen erblicken zu müssen.
Alleingelassen mit den eigenen sexuellen Gedanken und Problemen sucht man ausweglos nach Antworten. In der Moschee, sonst ein Ort, in dem man neben der Ruhe auch Antworten auf wichtige Lebensfragen fand, blieb das Thema unerwähnt. Natürlich fragte man aus Schamgefühl nicht danach und weil Geistliche dies ebenfalls nie von sich aus ansprachen, nicht einmal in Sitzungen mit ausschließlich Jugendlichen, blieb es für immer verschwiegen. Man blieb mit seinen Problemen und schuldhaften Gefühlen allein. Zwar stimmt es, dass ein Teil selbstverschuldet ist, dennoch haben die Muslime diesbezüglich ihre Jugendlichen allein gelassen. Letzteres wurde mir erst durch das genannte Buch klar.
Obwohl es aus den 1970ern und aus dem fernen Iran stammt, sind die dort beschriebenen Phänomene und Probleme heute aktueller denn je. Das Buch ist in drei Teilen aufgebaut. Der erste behandelt Probleme bei der Partnersuche und welche Hindernisse es zu überwinden gilt. Im zweiten Teil wird auf die brennende Liebe eingegangen, während im letzten Teil die Selbstbefriedigung und ihre Behandlung thematisiert wird. Folgend werde ich zu den einzelnen Teilen eine kleine Übersicht geben.
Ein Problem namens Heirat
Die scharfe Kritik an den üblichen Bedingungen und finanziellen Aufwendungen für Hochzeiten wird manch einen Jugendlichen erleichtern. Die einzige langfristige Lösung für die sexuellen Probleme der Jugendlichen ist laut Ayatullah Makarim Schirazi die Heirat. Hierzu gibt er Ratschläge, weist aber auch auf mögliche Fallen hin. Die gegenseitige Liebe sei wesentlich für die Ehe, jedoch muss mit Nüchternheit vorgegangen werden, um jugendlicher Unüberlegtheit vorzubeugen. Auffällig ist auch die wenig konservative Meinung zur Frage, ob die Wahl des Ehepartners bei den Eltern oder beim Betroffenen selbst liegen sollte. Eine solche schwerwiegende Entscheidung solle durch gemeinsame Diskussion und Meinungsaustausch getroffen werden.
Auch Jugendliche, die bis jetzt nicht wirklich an eine Heirat dachten oder diese als noch weit entfernt sahen, regt dies mindestens zum Überlegen an. Mit Möglichkeiten, eine Ehe kostengünstig und zumindest vorläufig einfach zu gestalten, erscheint dieser wichtige Schritt wesentlich leichter, als es derzeit geläufig ist.
Brennende Liebe
Der Schwerpunkt in diesem Kapitel liegt auf dem Gefühl der Liebe, wobei ein Mangel, aber auch Überfluss gleichermaßen Gefahren bergen. Lernt man eine Person kennen und beurteilt diese nur auf der Grundlage von Emotionen und lässt Rationalität links liegen, wird man schnell nach der Heirat erst die charakterlichen Schwächen des Partners erkennen und dann ernüchtert sein. Wenn sich die subjektive Erwartung nicht mit der Realität deckt, wird die Ehe nicht erfolgversprechend sein.
Auf der anderen Seite aber fehlt bei einer Zweckehe, die auf wirtschaftlichen Einsparungen oder anderem beruht, der Kern der Ehe, der die gegenseitige Zuneigung und Liebe ist. Hier rät der Autor zu einem gesunden Gleichgewicht von Liebe und Rationalität bei der Partnerwahl, sodass eine Ehe auch langfristig hält.
Sexuelle Perversionen
Das sensibelste unter den drei Kapiteln dürfte das letzte sein, das trotz (oder gerade wegen) seiner Sensibilität sehr bedeutend und hochaktuell ist. Hier geht der ehrenwerte Geistliche explizit auf das Problem der Selbstbefriedigung ein. Beinahe verstörende Leserbriefe, die an ihn gerichtet wurden, machen dem Leser klar, welche gesundheitlichen und psychischen Schäden solch sündiges Verhalten mit sich bringen kann. Anstatt jedoch die Jugendlichen zu enttäuschen und ihnen schlimme Strafen zu prophezeien, zeigt sich der Autor mitfühlend und schenkt Betroffenen in erster Hinsicht Mut, Motivation und Hoffnung. Gleichzeitig erklärt er, welche durchaus machbaren Schritte gegangen werden können, um sich selbst aus den Fesseln dieser Sünde zu befreien. Er gibt den Jugendlichen, welche sich wahrscheinlich in dieser Angelegenheit verloren fühlen und ihren wertvollsten Lebensabschnitt verschwenden, neben der endgültigen Lösung mit vereinfachenden Elementen, eine Art Therapie und eine Schritt-für-Schritt-Anleitung mit an die Hand, die schon nach einem Monat Anwendung zum Erfolg führt.
Nicht jeder Jugendliche wird gleichermaßen von dieser Sünde bzw. Sucht betroffen sein, aber jeder wird früher oder später damit konfrontiert werden, besonders hierzulande. Auch, wenn man nicht selbst darunter leidet, wird man es in seinem Umfeld wahrnehmen. Abhängig vom Verhältnis zu den Eltern kann ein Gespräch darüber sehr unangenehm sein, weshalb dieses Buch eine angenehmere Auseinandersetzung darstellt. Zu den essentiellen Handlungsempfehlungen gehört zunächst die Überzeugung, dass man sich aus dieser Sünde befreien kann. Diese Überzeugung und Einstellung sind nicht nur wichtig, sondern eine Voraussetzung fürs Gelingen. Einsamkeit soll durch ein Vollzeitprogramm unbedingt vermieden werden, und Sport hilft, die sexuelle Lust zu verringern und sorgt für Beschäftigung. Die Stärkung der Willenskraft ist ebenso notwendig und auch das möglichst frühe Heiraten. Hält man sich strikt an die insgesamt zehn Anweisungen, ist die komplette Befreiung von diesen Sünden innerhalb eines Monats zu erwarten.
Verantwortung der Gesellschaft
Hier ist die Verantwortung der Gesellschaft aber noch nicht vorbei. Vielmehr muss sich jedes Mitglied unserer muslimischen Gesellschaft bemühen, mit den Ratschlägen und Hinweisen Ayatullah Makarim Schirazis, die Hürden zur Heirat zu senken und die jungen Heranwachsenden zu unterstützen. Auch Moscheen und Gemeinden müssen in dieser Hinsicht mehr leisten und dieses Thema direkt ansprechen. In einer Zeit, in der viele sexuelle Verwirrungen, wie beispielsweise die Homosexualität und Abscheulicheres, geradezu beklatscht werden, muss den Jugendlichen geholfen werden, sich nicht in diese Irrungen zu verfangen. Statt verurteilend zu werden, muss mit Empathie und Verständnis kommuniziert werden.
Letztendlich liegt die Zukunft dieser Gesellschaft in den Händen der Jugend und statt dieser beim Verderben zuzusehen, sollte den Jugendlichen geholfen werden, ihre Probleme in den Griff zu kriegen und ihr großes Potential zu entfalten. Wir Jugendliche müssen unser Bestes tun, unsere Probleme diesbezüglich unter Kontrolle zu bringen, aber ohne Perspektiven hinsichtlich einer einfachen Heirat droht die Gefahr der Verzweiflung.
In der Hoffnung, dass eine in dieser Hinsicht aufgeklärte Jugend vor allem ihrer nachfolgenden Generation enorm helfen kann, empfehlen ich das besagte Buch sehr. Eine ernste Auseinandersetzung wird dabei helfen, vor allem die kulturellen Probleme zu überwinden und den Jugendlichen durch frühe Heirat zu ermöglichen, ihre ganze Leistungsfähigkeit in Sinnvolles zu entfalten und somit zu einer insgesamt gesünderen Gesellschaft beizutragen.
Link zum Buch im Shop von Eslamica: https://www.eslamica.de/sexuelle-probleme-der-jugend