Die Demonstration zum Qudstag in Berlin gehört seit Jahrzehnten zu den Dauergästen des jährlichen Bundesverfassungsschutzberichts. In den letzten fünfzehn Jahren wurde sie nur zweimal missachtet. Ein Ehrengast ist sie indes nicht, reserviert man ihr doch nur wenige Sätze, mit Ausnahme der ausführlichen Darstellung 2015.

Von 2001 bis 2011 ordnete der Verfassungsschutz die Demonstration ausschließlich der Hisbullah zu, in dessen Abteilung man sie unterbrachte. Ab 2012 weichten die Schützer diese Verbindung auf, klebten das Etikett „IZH“ dazu, um es 2013 wieder abzunehmen und sich vom Qudstag zu verabschieden: 2014 wurde er ausgeladen.

Aber 2015 gab es ein Comeback, und was für eins: Der längste und ausführlichste Bericht über den Qudstag der letzten fünfzehn Jahre. Erstmals wurde der Qudstag nicht im Abschnitt über die Hisbullah erwähnt, sondern erhielt seinen eigenen Auftritt in der Abhandlung über „Antisemitismus im Islamismus“. Zu den Hisbullah, die nur noch Nebendarsteller sind, gesellten sich nun erstmals Türken, Iraner und Iraker hinzu. Auf die Entwicklung im Bericht 2016 dürfen wir gespannt sein. Die Mobilisierung für die Demo am kommenden Freitag (23.6.) ist auf dem Höhepunkt, eine standesgemäße Erwähnung im Bericht 2017 ist zu erwarten.

Wie im Verfassungsschutzbericht üblich, werden die meisten Absätze vom letztjährigen Bericht nur kopiert und unwesentlich umformuliert. Wenn Absätze gelöscht werden oder neue zutage treten, kennzeichnet das einen Perspektivwechsel des Verfassungsschutzes – oder seiner Öffentlichkeitsarbeit.

Den ehemaligen Fokus auf die Hisbullah bewerten Beobachter als übertrieben, spielen doch libanesische Gruppen keine zentrale Rolle beim Qudstag in Deutschland. Auch der Schwenk zum IZH wurde nach einem Testjahr wieder aufgegeben. Inzwischen scheint der Verfassungsschutz erkannt zu haben, was der Qudstag ist: Eine Bewegung von Menschen in Deutschland, die die Apartheid und den Völkermord Israels nicht akzeptieren und gegen die Verbrechensbeteiligung ihrer Regierung auf die Straße gehen.

Es folgen die Zitate über den Qudstag in Berlin aus den Verfassungsschutzeberichten der letzten fünfzehn Jahre. Die kreativen Schreibweisen „Qods“ und „Quods“ der frühen Jahre entstammen den Originalen.

Die Zitate über den Qudstag aus den Bundesverfassungsschutz-Berichten

2001

Nach den Terroranschlägen in den USA verbreitete sich bei den „Hizb Allah“-Anhängern in Deutschland zunächst Genugtuung darüber, dass sich auch die als übermächtig empfundenen Vereinigten Staaten als verletzbar erwiesen hätten, bald folgte aber die Sorge, mit der Vorbereitung der Anschläge in Verbindung gebracht zu werden und künftig an Handlungsspielraum zu verlieren. Hassan NASRALLAH, der politische Führer der „Hizb Allah“ im Libanon, erklärte alsbald, dass die Aktionsziele der „Hizb Allah“ ausschließlich im Nahen Osten lägen, Gewaltaktionen außerhalb der Region, zum Beispiel in Europa, seien nicht beabsichtigt. Ayatollah FADLALLAH, der geistliche Führer der Organisation, unterstrich diese Linie.

In der Folge reduzierte die „Hizb Allah“ in Deutschland ihre öffentlich wahrnehmbaren Aktivitäten deutlich. Zu den Ramadan-Veranstaltungen reisten, anders als in den Vorjahren, nur noch wenige Prediger aus dem Libanon an. „Hizb Allah“-Funktionäre forderten immer wieder dazu auf, die hier geltenden Gesetze und Regeln zu achten und keine Freude über die Terrorangriffe zu zeigen. An der zentralen muslimischen Demonstration zum „al-Quds“-Tag (Jerusalem-Tag) am 8. Dezember in Berlin waren allerdings zahlreiche Mitglieder der „Hizb Allah“ unter den rund 1.000 Teilnehmern.[1]

2002

Erneut beteiligten sich auch zahlreiche Anhänger der „Hizb Allah“ an der einst von KHOMEINI initiierten Demonstration zum „al-Qods“-Tag (Jerusalem-Tag) am 30. November in Berlin mit etwa 1.000 Teilnehmern.[2]

2003

Mit distanziertem Interesse verfolgte die „Hizb Allah“ Anhängerschaft in Deutschland die militärische Intervention der alliierten Truppen im Irak. Da sich die Beiruter „Hizb Allah“-Führung in der Öffentlichkeit gegen eine Einmischung in den politischen Prozess der Neuordnung im Irak entschied, veranstalteten oder beteiligten sich „Hizb Allah“ Anhänger in Deutschland weder an Protesten noch an organisierten Aktionen oder öffentlichen Meinungsbekundungen. An der Demonstration zum „al-Quods“-Tag (JerusalemTag), die am 22. November in Berlin statt fand, nahmen nur wenige Schiiten aus „Hizb Allah“ Kreisen teil. Die Gesamtzahl der Teilnehmer aus allen muslimischen Lagern wurde von der Polizei auf etwa 650 Personen geschätzt (2002: ca. 1.000 Personen). Eine alternativ von „Hizb Allah“ Anhängern organisierte Gedenkveranstaltung am 23. November in Bottrop (Nordrhein-Westfalen) konnte etwa 500 Teilnehmer verzeichnen.[3]

2004

Am 13. November fand in Berlin die alljährliche Demonstration zum „Al-Quds“-Tag (Jerusalem-Tag) statt. Bei dieser Großveranstaltung tritt das IZH regelmäßig als Mitorganisator auf. Der „Al-Quds“-Tag wird seit 1996 in Deutschland von Angehörigen der Berliner iranischen Gemeinde organisiert und von Schiiten verschiedener Herkunft (u. a. Libanesen, Türken, Kurden, Araber und Deutsche) begangen. Dabei soll an die Besetzung Jerusalems (arab.: al-quds = die Heilige (Stadt)) erinnert werden. Ayatollah Khomeini hatte diesen Gedenktag im Jahre 1979 ausgerufen. 2004 nahmen an der Veranstaltung rund 800 Personen u. a. iranischer, libanesischer und türkischer Nationalität aus dem ganzen Bundesgebiet teil. Sie fand wie schon 2003 ein deutlich geringeres Echo als erwartet (es wurde mit ca. 2.000 Teilnehmern gerechnet). Bedingt war dies vor allem durch strenge Auflagen der Polizei. Eine alternative Veranstaltung, wie sie noch in den beiden Vorjahren in Bottrop organisiert worden war, fand 2004 nicht statt.[4]

2005

An der alljährlich in Berlin stattfindenden „Al-Quds“-Demonstration zum Gedenken an die „Besetzung“ der Stadt Jerusalem nahmen 2005 nur noch wenige „Hizb Allah“-Anhänger teil.[5]

2006

An einer aktiven Mitarbeit in den örtlichen Moscheevereinen bestand seitens der Anhänger der „Hizb Allah“ insgesamt wenig Interesse. Die Zahl der Gläubigen, die zu den wöchentlichen Gebetsveranstaltungen die Moscheen besuchten, war eher gering. Nur anlässlich schiitischer Feiertage und in der Zeit der Kampfhandlungen im Libanon war eine verstärkte Teilnahme festzustellen.

Am 23. Mai fanden zum Jahrestag des Abzugs der israelischen Armee aus dem Südlibanon, der alljährlich als „Tag der Befreiung“ gefeiert wird, vereinzelt „Siegesfeiern“ statt. An einigen dieser Veranstaltungen nahm traditionell auch einer der „Hizb-Allah“-Abgeordneten des libanesischen Parlaments teil. An der alljährlich in Berlin stattfindenden Demonstration zum Gedenken an die „Besetzung“ Jerusalems („Al-Quds-Tag“) nahmen am 21. Oktober „Hizb-Allah“-Anhänger aus Berlin und Norddeutschland teil.[6]

2007

An der alljährlich in Berlin von Anhängern der „Hizb Allah“ und regierungstreuen Iranern organisierten Demonstration zum „al-Quds-Tag“, mit der an das Ziel der „Befreiung“ Jerusalems (arabisch: „al-Quds“) erinnert werden soll, nahmen am 6. Oktober 2007 etwa 300 Personen teil. Die Demonstration verlief friedlich. [7]

2008

Keine Erwähnung des Qudstags.[8]

2009

Anhänger der „Hizb Allah“ beteiligten sich auch 2009 an der alljährlichen Demonstration zum „al-Quds“-Tag („Jerusalem“-Tag), der 1979 von Ayatollah Ruholla Khomeini ausgerufen wurde und alle Muslime an ihre Pflicht erinnern soll, Jerusalem zu „befreien“. Die diesjährige Demonstration mit rund 600 Teilnehmern fand in Berlin statt.[9]

2010

Anhänger der „Hizb Allah“ beteiligten sich auch 2010 an der alljährlichen Demonstration zum „al-Quds-Tag“ („Jerusalem“-Tag), der 1979 von Ayatollah Khomeini ausgerufen wurde und die Muslime an ihre Pflicht erinnern soll, Jerusalem zu „befreien“. Insgesamt nahmen rund 500 Personen teil.[10]

2011

Organisierte Teilnahmen von „Hizb Allah“-Anhängern an Kundgebungen und Demonstrationen finden nur vereinzelt statt. Die einmal im Jahr in Berlin organisierten Demonstrationen zum „al-Quds-Tag“ („Jerusalem“-Tag, 1979 von Ayatollah Khomeini ausgerufen um die Muslime an die Pflicht zu erinnern, Jerusalem zu „befreien“) sowie zum „Tag der Befreiung“ (sogenannte Siegesfeier, Jahrestag des Rückzugs der israelischen Armee aus dem Südlibanon am 25. Mai 2000) sind Veranstaltungen mit überregionalem Charakter. An beiden Veranstaltungen nahmen im Jahr 2011 jeweils ca. 600 Personen („al-Quds-Tag“ 2010: ca. 500 Personen) teil.[11]

2012

Jedes Jahr beteiligen sich „Hizb Allah“-Anhänger am letzten Freitag des islamischen Fastenmonats Ramadan an der Demonstration zum „al-Quds-Tag“ in Berlin. Ayatollah Khomeini hatte 1979 den „Jerusalem-Tag“ ausgerufen, um die Muslime an ihre Pflicht zur „Befreiung“ der heiligen Stadt zu erinnern. Nahmen in den 1990er Jahren noch bis zu 3.000 Personen an dieser Demonstration teil, hatte sich die Teilnehmerzahl in den letzten Jahren kontinuierlich verringert (2011: ca. 600 Teilnehmer). 2012 war mit der Teilnahme von 1.100 Personen erstmals wieder eine Steigerung zu verzeichnen.[12]

2013

„Hizb Allah“-Anhänger gehören in jedem Jahr zu den Teilnehmern an der Demonstration zum „al-Quds-Tag“ in Berlin am letzten Freitag des islamischen Fastenmonats Ramadan. Diesen Tag hatte Ayatollah Khomeini 1979 ausgerufen, um die Muslime an ihre Pflicht zur „Befreiung“ Jerusalems zu erinnern. Verglichen mit den 1990er Jahren, in denen noch bis zu 3.000 Personen an der Demonstration teilnahmen, hat sich die Teilnehmerzahl in den letzten Jahren kontinuierlich verringert, im Jahr 2013 auf 800 Personen (2012: 1.100).[13]

Führungsfunktionäre des IZH nahmen, wie in den Vorjahren, an der in Berlin am 3. August 2013 durchgeführten Demonstration zum „al-Quds-Tag“ („Jerusalem-Tag“) teil (vgl. Kap. IV, Nr. 1).[14]

2014

Keine Erwähnung des Qudstags.[15]

2015

Bei der Demonstration anlässlich des „al-Quds-Tages“ am 11. Juli 2015 in Berlin waren während der gesamten Veranstaltung antizionistische Tendenzen zu verzeichnen. Es konnten folgende Aufrufe dokumentiert werden: „Kindermörder Israel“, „Zionisten sind Faschisten“ und „Seid ihr alle taub und stumm – Israel bringt Kinder um“. Zur Schlusskundgebung der Demonstration wurde unter den Teilnehmern eine Broschüre mit dem Titel „Wer tötet mehr Kinder? – Israel oder ISIS?“ verteilt. Die Broschüre enthält stark antizionistische Propaganda an der Grenze zum Antisemitismus. Israel wird als „zionistisches Apartheidregime“ oder als „Krebsgeschwür“ bezeichnet. Sein Vorgehen sei „faschistisch“ und „manipulativ“. Israel wird als tyrannischer Unterdrücker des palästinensischen Volkes dargestellt. Die „unterdrückten Nationen“ werden aufgefordert, sich „wie die Islamische Republik Iran zu erheben und die arroganten Mächte niederzuschlagen“. Beim „al-Quds-Tag“ handelt es sich um einen von Ayatollah Khomeini im Jahre 1979 ausgerufenen Gedenktag, der die Muslime dazu auffordert, Jerusalem aus der Hand des „Ursurpators Israel“ zu befreien. Der „al-Quds-Tag“ ist somit auch Ausdruck der Leugnung des Existenzrechts des Staates Israel durch den iranischen Staat. Die alljährlich in Berlin stattfindende und von regimetreuen Iranern organisierte Demonstration setzt sich überwiegend aus Anhängern der „Hizb Allah“, regimetreuen Iranern sowie schiitischen Türken und Irakern zusammen.[16]


  1. Bundesverfassungsschutzbericht 2001, S. 210–211. ↩︎

  2. Bundesverfassungsschutzbericht 2002, S. 184. ↩︎

  3. Bundesverfassungsschutzbericht 2003, S. 181. ↩︎

  4. Bundesverfassungsschutzbericht 2004, S. 243. ↩︎

  5. Bundesverfassungsschutzbericht 2005, S. 209. ↩︎

  6. Bundesverfassungsschutzbericht 2006, S. 231–232. ↩︎

  7. Bundesverfassungsschutzbericht 2007, S. 185. ↩︎

  8. Bundesverfassungsschutzbericht 2008. ↩︎

  9. Bundesverfassungsschutzbericht 2009, S. 249. ↩︎

  10. Bundesverfassungsschutzbericht 2010, S. 243. ↩︎

  11. Bundesverfassungsschutzbericht 2011, S. 274. ↩︎

  12. Bundesverfassungsschutzbericht 2012, S. 274. ↩︎

  13. Bundesverfassungsschutzbericht 2013, S. 228. ↩︎

  14. Bundesverfassungsschutzbericht 2013, S. 284. ↩︎

  15. Bundesverfassungsschutzbericht 2014. ↩︎

  16. Bundesverfassungsschutzbericht 2015, S. 179. ↩︎