1. Emanzipation und ihre Formen
Als Frau und Muslima bin ich natürlich oft damit beschäftigt, mir über das Frauenbild in dieser Gesellschaft Gedanken zu machen und die Widersprüche der Emanzipation für mich zu klären; denn Emanzipation soll heißen, ein selbstbestimmtes Leben zu führen.
Gehen wir daher einmal auf die Definition des Begriffes Emanzipation ein:
Emanzipation bedeutet, sich von einer führenden Hand zu befreien. Sie kann in der Geschichte als Bestrebung gesehen werden, die die Selbstbestimmung einer bestimmten gesellschaftlichen Klasse zum Ziel hatte. Einst waren es Sklaven, die sich gegen ihre Besitzer erhoben, die gesellschaftlichen Umbrüche der europäischen Revolutionen, die Emanzipation des Bürgertums und der besitzlosen Arbeiterklasse, der Juden als schließlich anerkannte Religionsgruppe mit gleichen Bürgerrechten und die der Frauen, die für das Wahlrecht und andere Bürgerrechte eintraten.[1] Bis auf die Emanzipation der Frauen haben wir es immer mit den Bestrebungen zur Freiheit einer bestimmten gesellschaftlichen Klasse oder Ethnie zu tun. Die Emanzipation der Frauen muss klassenübergreifend verstanden werden, weil Frauen alle Klassen besetzen. Das verweist in der Gegenwart auf markante Probleme, wie wir noch feststellen werden.
Besonders auffällig ist für mich, dass das Thema der Frauenemanzipation und die Bestimmung, was diese zu sein hat, in der Öffentlichkeit eher von privilegierten Frauen und Männern geführt wird als von ganz normalen Frauen, die ein Durchschnittsleben führen. Beide aber kennen wenig von der Lebenswirklichkeit dieser im Leben stehenden Normalfrauen. Es erscheint mir, als ob Männer mit ihrer Definition von Emanzipation uns zu unterdrücken suchen, denn sie sehen diese allzu oft in etwas, was sich einzig und allein an wirtschaftlichen und sexuellen Aspekten orientiert: Eine Frau ist emanzipiert, wenn sie in Lohnabhängigkeit arbeitet und Steuern zahlt, egal unter welchen Umständen, und darüber hinaus ihre sexuelle Verfügbarkeit durch äußere Signale kundtut.
Natürlich wird das nicht so gesagt, aber es läuft tatsächlich nur darauf hinaus, denn nicht umsonst werden Frauen bei gleicher Tätigkeit immer noch schlechter bezahlt als Männer und erfahren wenig Rücksicht in Bezug auf Doppelbelastung als Mutter, Hausfrau und gleichzeitiger Tätigkeit in Lohnabhängigkeit. Dass ich das hier so ausdrücke, lehrt mich die Realität. Ich finde einfach bisher keine Lebensführungen in den unzähligen Gesprächen mit anderen Frauen, in der der Mann mit der Frau diese Bereiche gleichberechtigt teilt. Es sind bis heute die Frauen, die diese Doppelbelastungen tragen. Auch die Tatsache, dass Frauen immer noch nach männlichen Maßstäben attraktiv sein müssen, wird wohl an niemanden vorbeigegangen sein.
2. Kann man Emanzipation vorschreiben?
Die Emanzipation der Frau ist von einem gesellschaftlichen und kulturellen Umschwung begleitet zu einem eher individuellen Thema geworden; viele Abhängigkeiten und Unterdrückungsmechanismen der Frau sind aufgehoben worden, andere noch zu bemängelnde Missstände und Widersprüchlichkeiten, die ich versuche aufzuzeigen, werden erst gar nicht diskutiert. Derzeitige Themen des Feminismus betreffen die Mehrheit der Frauen nicht. Daher ist es problematisch, wenn nur eine bestimmte Schicht zu dem Thema eine Deutungshoheit beansprucht, was aber leider in den öffentlichen Debatten geschieht. Was für mich Emanzipation bedeutet, muss nicht für eine andere Frau Emanzipation bedeuten, da die Abhängigkeiten, wie sie heute gelagert sind, so verschieden sein können, wie wir Frauen es auch sind, weil wir eben alle sozialen Schichten besetzen und dazu noch unterschiedliche Lebenskonzepte haben. Das zeigt gerade die Diskussion um eine Frauenquote in den Vorstandsetagen, die nur einen verschwindend geringen Prozentsatz von Frauen betrifft, während andere wichtige Thema auf der gesellschaftlichen Ebene kaum mediale Beachtung finden, wie der hohe Anteil alleinerziehender Frauen in der Armutsschicht, Verarmung im Alter durch mangelhafte Rentenanpassung oder die erniedrigenden Deutungen der Rolle als Mutter und die Tatsache, dass Mutterschaft in dieser Gesellschaft zunehmend als Makel gesehen wird.
2.1. Die Kopftuchdebatte
In der Kopftuchdebatte und auch in bestimmten Debatten zu islamischen Geboten wird immer wieder mit der Emanzipation argumentiert. Hier wird ebenfalls ein Bild vermittelt, was Emanzipation zu sein hat, ohne zur Kenntnis zu nehmen, dass dieses Bild die Frau in die Abhängigkeit der Deutungen treibt und ihre Individualität und eigene Deutung unberücksichtigt bleibt. Mehr noch, man unterstellt sogar Frauen, die sich frei dafür entschieden haben, sie würden sich der Maxime ihres Handelns nicht bewusst sein und nur Indoktrinationen folgen, womit man ihnen ihre Mündigkeit abspricht.
Der Zwang kommt hier ganz deutlich von der Seite, die die Deutungshoheit über Frauen im Islam, das Kopftuch und bestimmter Praktiken des Verhaltens in Bezug auf das andere Geschlecht für sich beanspruchen, weil sie die Mittel und Medien dazu haben, wobei ihre Sichtweise beschränkt bleibt. Zum Beispiel wird es als frauendiskriminierend gedeutet, wenn Frauen bei Veranstaltungen unter sich bleiben, sie für sich beten usw. Kein Nichtmuslim möchte sehen, dass es für Frauen auch etwas sehr Angenehmes sein kann, wenn man unter sich ist und Frauengespräche führt. Oder, was mich die eigene Erfahrung lehrt und auch die anderer alleinerziehender Mütter, dass man in dieser Position eine gesellschaftliche Ausgrenzung erfährt, weil niemand eine alleinerziehende Frau einlädt, während verheiratete Frauen ständig zu gesellschaftlichen Anlässen eingeladen werden. Das ist aber durch die Geschlechtertrennung bei Muslimen nicht der Fall, hier ist die Ausgrenzung von alleinstehenden Frauen nicht bekannt.
Das Kopftuch wird im Westen als Unterdrückungssymbol der Frau gesehen, als Zwang durch das Patriarchat, der angeblich darin fußt, dass die Frau von Männern sexualisiert wird und eine ewige Versuchung darstellt, von der sich Männer schützen wollen. Es gilt geradezu als Verrat an der Emanzipation und dem Feminismus, ein Kopftuch zu tragen. Unberücksichtigt bleibt in der Debatte, dass Frauen sich ständig selbst sexualisieren, wenn sie in der Öffentlichkeit Kleidung tragen, die die Figur betonen und viel Haut zeigen und sie sich dazu noch schminken. Man findet keine Spur davon, dass Männer sich davon bedroht oder bedrängt fühlen, im Gegenteil. Eine Reduktion der Frau auf das Äußere wird so zum gängigen Prinzip, ohne dass man sich das eingestehen will. Wer sich möglichst sexy kleidet, bekommt mehr Aufmerksamkeit. Das beste Beispiel bieten Promis, die immer mehr Hüllen fallen lassen müssen, um von der medialen Öffentlichkeit noch Beachtung geschenkt zu bekommen.
Dass ein Kopftuch und lange weite Kleidung, die die Figur bedeckt, auch bedeuten kann, dass man diesen Blick auf das Äußere der Frau bei sich selbst vermeiden will und man als Mensch wahrgenommen werden will, ohne diesen ewigen Zwang zur Sexualisierung, wird bei den Debatten nicht einmal mehr von sogenannten Feministinnen beachtet. Der Feminismus der 80er Jahre war hingegen ganz anders geartet, auch der einer Alice Schwarzer; Frauen trugen bewusst weite Kleidung und kein Make-up, um sich selbst nicht zu sexualisieren. Heute werden Frauen, die sich minimal bekleidet in der Öffentlichkeit zeigen, als besonders emanzipiert gesehen. Das geht so weit, dass man eine muslimische Pornodarstellerin als vorzeigbar emanzipiert stilisiert.
2.2. Selbstbestimmung und religiöse Rechte
Die Deutungshoheit in Bezug auf die Emanzipation zeigt die Grenzen und die Fehler der Debatten und des so produzierten gesellschaftlichen Gesamtbilds. Sie schenkt den Frauen nicht mehr Selbstbestimmung, sondern sie zeigt den Zwang der Anpassung an etwas, was in Bezug auf die Definition der Emanzipation als nicht erstrebenswert zu erachten gilt, ja ihr sogar zuwiderläuft: die Fremdbestimmung.
Das Recht auf Selbstbestimmung muss auch die religiöse Frau haben, ohne Angst vor Ausgrenzung haben zu müssen. Des Weiteren zeigt sich in den Debatten ebenso die Deutungshoheit der westlichen Kultur, die sich als höherwertig versteht und diesen Anspruch gerade gegenüber dem Islam zur Geltung bringt. Denn stellt euch bitte einmal die Frage, wieso das Kopftuch überhaupt Gegenstand der Diskussion ist; gehörte es doch noch in meiner Kindheit zum gängigen Kleidungsstück für Frauen. Es sollte ja auch hinreichend bekannt sein, dass man im Westen so gut wie alles tragen darf, wieso also so ein Hype um das Kopftuch? Ist das Kopftuch zum Symbol des Kulturkampfes geworden, bei dem es nicht um die Interessen von Frauen geht? Verteidigt der Westen mit seiner Propaganda gegen das Kopftuch gar seine bedrohte Vormachtstellung? Sind manche Phänomene des Hypes um das Kopftuch eher psychologisch geprägt als von rationalen Gesichtspunkten? Fühlt sich die westliche Frau weniger unterdrückt, wenn sie den Blick von oben herab auf angeblich unterdrückte muslimische Frauen einnehmen kann? Das sind Fragen, die sich nicht zuletzt Kritiker, die sich an diesem Stück Stoff geradewegs verbissen haben und nicht mehr loslassen können, selbstkritisch stellen sollten.
3. Bin ich eine emanzipierte Frau?
Natürlich muss ich mir diese Frage stellen. Ich bin Akademikerin und führe ein selbstbestimmtes Leben, so weit es möglich ist, auch als Konvertitin. Ich kann nicht behaupten, dass ich mich irgendwann als Frau hätte emanzipieren müssen, denn ich war niemals jemand anderes, als ich war oder sein musste. Ich will mich auch nicht als Opfer des Patriarchats sehen oder eine klischeehafte Viktimisierungsposition vermitteln.
Aber ich habe jede Art von Frauenunterdrückung kennengelernt: körperliche Übergriffe, aufdringliche Männerblicke, verbale Belästigungen, Professoren, die zu meiner Zeit einer Frau noch nicht zutrauten, eine Physikprüfung zu bestehen, oder offen zu einem sagten, man solle lieber Kinder bekommen als studieren. Männer, die einen nicht zu Wort kommen ließen, die nicht zuhörten, mir letztendlich vermittelten, wie austauschbar ich bin. Auch die Herabwürdigung als alleinerziehende Mutter ist eindeutig frauenverachtend, bis hin zu Bemerkungen, man sei zu faul zum Arbeiten. Bemerkenswert ist auch, dass man, wenn man Kritik an der mangelnden Gleichstellung und ungenügenden Chancengleichheit als Frau und Mutter äußert, gesagt bekommt, man hätte ja auf Kinder verzichten können. Die meisten dieser Vorwürfe wurden nicht von Männern geäußert, was mir zeigt, wie wenig Bewusstsein und Sensibilität bei Frauen bezüglich ihrer eigenen Situation und die der Frau von nebenan besteht. Nachdem ich meine Erziehungsarbeit beendet habe, finde ich bei anderen Frauen immer noch diese Muster der Unterdrückung. Zum Kopftuch aber haben diese Frauen schlichtweg alle die gleiche Meinung, was das Wirken der vorgesetzten Deutungen beweist.
Kann man sich gegen die oben beschriebenen Phänomene wehren, wenn man die Richtung einschlägt, die der Feminismus und emanzipierte Vorzeigekarrierefrauen heute vorgeben und dabei nur Themen besetzen, wie Zugangsquoten für Frauen in den Vorstandsetagen, die eh schon ganz oben angekommen sind und der stetigen Forderung nach einem Kopftuchverbot und ihrer diesbezüglichen aufdringlichen Deutungshoheiten und Belehrungen von einem Elfenbeinturm herab? Wo bleibt die Diskussion um Quoten für Frauen, die nach der Erziehungsarbeit wieder in ihren erlernten Beruf zurückkehren wollen und die es als Akademikerinnen besonders schwer haben? Wo ist der realistische Ausgleich in Bezug auf die Rente und der Erziehungsarbeit? Oder vielleicht noch viel einfacher: Wieso haben wir es noch nicht einmal geschafft, für gleichen Lohn bei gleicher Arbeit zu sorgen? Ist nicht die Diskussion, welche Unterdrückungsmechanismen die Lebenswirklichkeit von Frauen prägt, an uns Frauen vorbeigegangen und ist die Mehrheit der Frauen dabei nicht zu Wort gekommen? So wie man heute von keiner Muslima wirklich hören will, dass sie sich wohl fühlt mit ihrem Kopftuch, behauptet man lieber, das Tragen unter Zwang sei gängig, obwohl es keinerlei statistische Erhebung diesbezüglich gibt.
Kann es sein, dass es Feministinnen bei der Einseitigkeit ihrer Themen gar nicht mehr um die Schwester von nebenan geht, die in prekären unterbezahlten Beschäftigungsverhältnissen ihr Leben bis zur Belastungsgrenze zwischen Job und Familie jongliert, sondern nur um das Dasein in der eigenen gesellschaftlichen Schicht? Ist Feminismus zum Kampf einer etablierten Klasse mutiert und geht daher argumentativ an der Mehrheit der Frauen vorbei? Diese Theorie hat zumindest die britische Professorin Alison Wolf aufgestellt. Weibliche Solidarität sei ein Mythos. Sie spricht vom „Tod der Schwesternschaft“, dass das Phänomen der Karrierefrau ebenso den Tod des typisch „weiblichen Altruismus“ bedeutet, da es viele Frauen auf Kinder verzichten lässt. Das habe negative Folgen für die Gesellschaft, warnt sie, da die Familie als Zentrum der sozialen Fürsorge für Junge und Alte dadurch gefährdet ist.
Das hat auch negative Folgen für die Frauen selbst: Einer Freundin, die mit 40 promovierte, da sie sich zuerst um die Kinder gekümmert hat, wurde an einer deutschen Uni gesagt, dass sie zu alt für die Wissenschaft sei. Hier geben zunehmend Frauen ohne Kinder den Takt der Karriere vor. Aber auch die Karrierefrau, die auf Kinder verzichtet hat, kommt in meiner Umwelt als vereinsamte Frau, die ihre Entscheidung zutiefst bereut, zunehmend zu Wort.[2]
Da ich als Frau und Muslimin schreibe, werde ich zitiert,[3] und das leider aus dem Zusammenhang gerissen. Dabei sind die Forderungen ganz einfach: Macht Frauen nicht zu schlechteren Männern, ermöglicht Frauen einen späteren Wiedereinstieg ins Berufsleben, so dass sie ihre Rolle als Mutter wahrnehmen können und respektiert andere Lebenskonzepte, auch die der Frau, die sich für ein klassisches Rollenverständnis entscheidet. Verschließt nicht die Augen vor der Lebenswirklichkeit der Mehrheit der Frauen heute, die gelinde gesagt wahre Erniedrigungen nicht missen lässt. Sorgt für einen realistischen Ausgleich, weil die Lebenswirklichkeiten von uns Frauen eben nicht gleich die der Männer sind, auch in Bezug auf die Rente. Und nicht zuletzt, maßt euch keine Deutungshoheit über das Kopftuch und ihre Trägerinnen an, oder sind diese Frauen für euch etwa unemanzipiert und führen ein Leben in Zwang oder wissen nicht, was sie tun?
So muss auch eine emanzipierte Frau, wie die Journalistin Birgit Schmid, die u. a. bemängelt, dass jede abweichende Meinung als antifeministisch abgewertet wird, feststellen, dass empörte Links-Feministinnen anderen Frauen vorschreiben wollen, „was eine gute Frau ist“ und dadurch individuelle Freiheit und echte Patriarchatskritik unmöglich machen. Und: „Die Supermarktangestellte erreicht der abgehobene Diskurs des Genderfeminismus nach wie vor nicht. Auch das wird nicht gerne gehört und als antiintellektuelles Statement genommen. Es ist aber eine Tatsache, dass wir alle, die wir uns mit dem Thema beschäftigen, als Privilegierte reden. Feminismus wurde in den letzten Jahren mehr und mehr als Selbstverwirklichung betrieben (…) So entsteht eine Ferne zu den Frauen, die sich in schlecht bezahlten Jobs über Wasser halten, oder deren Leben, weil sie als Mädchen geboren wurden, von Anfang an bedroht ist.“[4]
Angesichts dieser Entwicklungen kann ich von mir nicht behaupten, dass ich nach der derzeit etablierten Deutung emanzipiert bin, ich will es gar nicht sein, denn der Begriff wird gegenwärtig missbraucht. Seine Auslegungen bringen heute ganz deutlich die Gefahr mit sich, das Gegenteil von Selbstbestimmung, nämlich Phänomene der Unterdrückung hervorzubringen und wirkliche Kritik an bestehenden Verhältnissen im Keim zu ersticken.
Die Kampfbegriffe der jetzigen Emanzipationsbewegung, wie die einer Alice Schwarzer, kommen bei mir nicht an, ich empfinde sie als eher beschämend. Sie bedient Vergleiche des Kopftuches mit dem Judenstern und stellt Behauptungen auf, Islamisten würden es so ernst wie Hitler meinen.[5] Damit bringt sie ganz gefährliche Deutungen in die Diskussion, die zu dieser tatsächlich nichts beitragen außer eine überstrapazierte negative Besetzung dieser Religion, die Folgen für alle Muslime hat. Geht es Frauen, die so argumentieren, letztendlich gar nicht um Emanzipation? Man kann deren moralische Position am leichtesten daran erkennen, was mit deren Texten und Äußerungen passiert, wenn man anstelle des Wortes Muslim oder islamisch das Wort Jude oder jüdisch einsetzt.
Mir ist die Emanzipation als Mensch wichtiger, die als Muslimin den stetigen Kampf gegen das eigene Ego führt, wie gegen all die Ängste, die mich bezüglich der Frage bedrängten, wie viel Feindschaft die Mitmenschen einem entgegenbringen könnten, weil man sich zu dieser Religion öffentlich bekennt und das Kopftuch trägt. Und genau darin sehe ich die Emanzipation des Menschen, die Menschwerdung an sich; sich zu befreien von allen beschränkenden egoistischen Motiven und Emotionen, die das ICH gefangen halten, um sich schließlich nichts anderem zu unterwerfen als Gott. Auch Männer müssen diesen Schritt tun, sich also lösen von ihren Befindlichkeiten, in ihrer Umgebung auf eine bestimmte Art und Weise gesehen zu werden, die sie dazu treiben, sich eher ihren regionalen Traditionen der Individual- und Sippenehre zu widmen als religiösen Geboten. Und wie dieser Beitrag zeigt, sogar ihren Glauben verstecken wollen.
Heute ist für mich emanzipatorisch, den Kampf gegen all diese Deutungen zu führen und auf ihre Widersprüchlichkeiten zu verweisen, die die eigentliche Bedeutung der Begriffe so aushöhlen und verfälschen, dass sie selbst zum Instrument der Unterdrückung werden.
Der moderne Feminismus muss zumindest eine Minimalforderung erfüllen, damit er sich so nennen kann: den Einsatz dafür, dass Frauen mit gleichen Chancen ihre Lebenskonzepte verwirklichen können, egal ob sie die Rolle der Karrierefrau und / oder als Mutter mit oder ohne Berufstätigkeit einnimmt, egal ob Muslima mit Kopftuch oder als Frau, die jedes Modediktat mitmachen möchte, egal ob dienende Arbeiterin oder Intellektuelle. Wenn es eines Tages so sein wird, dann werde ich gerne von mir behaupten, dass ich emanzipiert bin. Bis dahin heißt mein Slogan: Nicht ohne meine Schwestern
https://de.wikipedia.org/wiki/Emanzipation#Individuelle_Emanzipation ↩︎
https://www.abendblatt.de/politik/deutschland/article107107454/Das-Dilemma-Karrierefrau.html ↩︎
Politischer Islam: Stresstest für Deutschland, Susanne Schröter, Gütersloher Verlagshaus, 2019 ↩︎
https://www.nzz.ch/meinung/gleichberechtigung-wenn-sich-frauen-gegenseitig-belehren-ld.1476979 ↩︎
https://www.faz.net/aktuell/feuilleton/debatten/alice-schwarzer-im-interview-die-islamisten-meinen-es-so-ernst-wie-hitler-1358511.html ↩︎