Die Islamfeinde haben seit einigen Jahren eine eigene Partei, die Alternative für Deutschland (AfD). Mittels dieser Partei soll Stimmung gegen den Islam und die Muslime gemacht werden, um Stimmen zu erhalten. Hauptthema der AfD ist der Islam und die Gefahr, die der Islam für Deutschland darstelle. Eine Behauptung, die Islamfeinde schon vor der AfD geäußert haben, war, dass die Muslime die Scharia in Deutschland einführen wollen.

Ein Islamwissenschaftler würde jetzt versuchen die Scharia zu definieren und wohl sagen, dass die Scharia das islamische Recht bedeutet und als “Weg zur Tränke” oder „gebahnter Weg“ übersetzt werden kann. Er würde wohl sagen, dass der Begriff für ein dynamisches religiöses Gesetz oder einen Ritus steht und abgeleitet wird aus dem Verb „den Weg weisen“ bzw. „vorschreiben“ [schara’a] und die gesamte religiöse Pflichtenlehre des Islam, in der die Regelung aller Bereiche des menschlichen Daseins integriert sind, beinhaltet. Wenn er Zeit hätte, würde er noch hinzufügen, dass die Scharia sowohl moralische als auch juristische Komponenten umfasst, wie die religiösen Verpflichtungen, religionsrechtliche Abgaben, Definitionen von Begriffen und das Strafrecht. Wenn der Islamwissenschaftler es eilig hätte, würde er die Scharia kurz definieren als die Gesamtheit aller islamischen Normen. Also alles, was seit der Entstehung des Islams bis heute von islamischen Denkern über den Islam geschrieben wurde. Überall hört und liest man von der Scharia. Kaum einer interessiert sich dafür, was die Scharia eigentlich ist. So rief eine Jura-Professorin bei Çefli Ademi (Uni-Münster) an und fragte ihn, ob er ihr die Scharia als PDF-Datei zuschicken könnte.[1]

Naja, für diesen Essay brauchen wir keinen Islamwissenschaftler. Denn es geht gar nicht um das Verständnis der Scharia vonseiten der Muslime. Auch den Islamfeinden geht es nicht um die Scharia an sich, wenn sie behaupten, dass die Muslime die Scharia in Deutschland einführen wollen. Mit Scharia meinen die Islamfeinde, dass die Muslime eine fremde Gesetzgebung anstelle des Grundgesetzes einführen wollen. Stimmt das? Wollen die Muslime die Scharia – also eine fremde Gesetzgebung – einführen?

Das kann leicht überprüft werden. Schauen wir uns an, was die Muslime fordern. Die Muslime fordern z. B., dass ihre Religion (der Islam) genauso wie alle anderen Religionsgemeinschaften in Deutschland als Religionsgemeinschaft anerkannt wird. Denn rechtlich betrachtet ist der Islam nicht mit den anderen Religionsgemeinschaften gleichgestellt, obwohl er die zweitgrößte Religionsgemeinschaft in Deutschland darstellt.[2] Die Muslime fordern auch nichts, was ihnen nach dem Grundgesetz nicht zusteht. Gemäß dem Grundgesetz muss sich der Staat religiös neutral verhalten. Er darf sich nicht zu einer Religion bekennen oder eine Religionsgemeinschaft diskriminierend behandeln.

Dies regelt das sogenannte Neutralitätsgebot des Staates (Artikel 140, Grundgesetz)[3]. Neutralität bedeutet nicht, dass keine Religionen zugelassen werden, sondern dass alle Religionen gleich behandelt werden müssen. Ansonsten widerspricht es dem Grundgesetz. Laut Grundgesetz muss der Staat seinen Bürgern individuelle Religionsfreiheit gewähren. Niemand darf gezwungen werden, einen bestimmten Glauben anzunehmen oder aufzugeben. Jeder Bürger soll das Recht haben, seine Religion im Rahmen der staatlichen Ordnung auszuleben. Der Staat sollte allen Religionen und Weltanschauungen gegenüber möglichst neutral sein und keine Religion bevorzugen oder benachteiligen. Muslime fordern also keine fremde Gesetzgebung ein. Ganz im Gegenteil. Muslime wollen, dass das Grundgesetz Anwendung findet.

Die Islamfeinde hingegen, die immer wieder behaupten, dass die Muslime eine fremde Gesetzgebung einführen möchten, wollen nicht, dass das Grundgesetz auch für Muslime gilt. Diese ungerechte Forderung der Populisten, die Diskriminierung einer ganzen Glaubensgemeinschaft, verstößt eindeutig gegen das Grundgesetz. Auf Anfrage bei der AfD, was die Partei der Islamfeinde gegen das deutliche Recht der Muslime auf Gleichstellung des Islams tun möchte, kam die Antwort: Die Partei Alternative für Deutschland (AfD) strebt eine Grundgesetzänderung an, sobald sie die Mehrheit bildet.[4]

Ein falscher Vorwurf ist wie ein Bumerang. Und so kommt der Vorwurf auf den Vorwerfenden zurück. Nicht die Muslime wollen eine fremde Gesetzgebung einführen. Es sind die Islamfeinde, die eine fremde Gesetzgebung einführen wollen und deren Haltung nicht mit dem deutschen Grundgesetz vereinbar ist.


  1. http://www.sueddeutsche.de/politik/aussenansicht-die-scharia-gibt-es-nicht-1.3027198 ↩︎

  2. https://archiv.offenkundiges.de/religionsfreiheit-fuer-muslime-in-deutschland-oder-islam-e-v/ ↩︎

  3. https://www.gesetze-im-internet.de/gg/art_140.html ↩︎

  4. http://www.taz.de/!5310152/ ↩︎