Migrantenkinder kehren in aller Regel enttäuscht aus dem Lande ihrer Vorfahren zurück. Hinter ihnen liegt eine Zeit voller Ungemach und Verwirrung. Es gelingt ihnen nicht, sich einer Gesellschaft anzupassen, die sich sehr von der vertrauten unterscheidet, unabhängig davon, in welchem Land Europas sie aufgewachsen sind. Sie prallen mit einer fremden Kultur zusammen, von der sie immer dachten, es sei ihre eigene. Voller Frustration und mit tiefem Schmerz tadeln sie ihre Eltern: Wie konnten sie nur so von der Heimat schwärmen? Nichts als leere Nostalgie.
Der in heimatliche Gedanken versunkene Blick des Vaters und der Geschmack der Gerichte, mit denen man das Vaterland im Wohnzimmer aufleben lässt, sind für die meisten Migrantenkinder die einzigen Andenken von der geliebten fernen Heimat. Sobald sie die Kindheit verlassen und in die Phase eintreten, in der sie alles infrage stellen, sehnen sie sich nach der fernen Heimat – insbesondere, wenn sie durch Härten geprüft wurden. Sie suchen nach anderen, die ihnen ähneln, mit denen sie sich identifizieren können und Teil eines Ganzen werden, Teil einer Gemeinschaft – etwas so immanentes und wesentliches für jeden Menschen. Dazu kommt die Suche nach einem Ideal, nach dem Lebenssinn. All das ist kaum zu bewältigen, wenn man sich im Land als Fremder fühlt.
Dann rufen sich die ganzen Geschichten von den Vorfahren in Erinnerung, das Wesen der Landsleute, die eigenen Wurzeln, die in jedem Aspekt des Lebens wiederzufinden sind, von der Wohnzimmerzierde über den Namen bis hin zur körperlichen Erscheinung. Verführerisch ist der Gedanke, dass es hier schwierig ist, Teil eines Ganzen zu werden, und dass es einen Ort gibt, an dem es leichter wäre, selbst wenn man diese Möglichkeit nicht immer ernsthaft in Erwägung zieht. Die Möglichkeit, das Paradies zu genießen, wo jedermann so ist wie man selbst.
Die Wirklichkeit ist indes vollkommen anders, so manche mussten diese Erfahrung durchleben. Dabei spielt es keine Rolle, ob man nach einer gescheiterten Aussiedlung zurückkehrt oder nach einem langen Urlaub oder der Suche nach dem Partner des Lebens – stets sitzt der Frust tief, die Enttäuschung gleicht einem Erdbeben, das Weltbild liegt in Trümmern. Möglicherweise muss man seine Visionen grundlegend überdenken, unausweichlich muss vieles hinterfragt werden. Darunter die berühmten Fragen: Wer bin ich? Wo liegen meine Wurzeln, was ist mit meiner Identität, meinen Gefühlen?
Oftmals würdigen wir diese Fragen nicht ausreichend und sicherlich wollen einige der Auseinandersetzung mit ihnen aus dem Weg gehen. Aber sie sind notwendig, denn einzig, wer die Antworten findet, schafft die Basis, um sich weiterzuentwickeln, ohne seine Gefühle unterdrücken zu müssen, die ansonsten seine Entwicklung negativ beeinflussen würden.
Wenn du selbst Kinder erziehst, gib dich nicht deiner Ignoranz hin. Sei weitherzig, offen für Neues, einfühlsam. Sieh mit den Augen des Herzens auf deine Kinder. Sie werden dir zeitlebens dankbar sein, dass du sie vor dem Leid bewahrt hast, sich vor dir verstellen zu müssen, vor dem Leid der Selbstvorwürfe, nicht deine Gefühle für deine Heimat zu teilen. Die islamische Art ist es, sich neuen Sichten auf das Leben und die Gesellschaft zu öffnen, ohne Starrsinn oder Fanatismus.
Wunderbar ist das Streben, Teil einer einzigen Gemeinschaft zu sein, deren gemeinsamer Nenner der wahre Islam von Muhammad (s.) ist. Wir stehen vor der einzigartigen Gelegenheit, großartige Menschen zu werden, ohne physische Grenzen, vereint im Islam, einander bereichernd, mit einem gemeinsamen Ziel: Es ist eine Ehre, uns für die Rückkehr des Erlösers einzusetzen, frei von Überlegenheitsgefühlen, frei von Größenwahn.
Stehen wir über allen Empfindeleien des verdorbenen Nationalismus! Wir bilden eine großartige spirituelle Familie, keine Nation – welche Erfüllung könnte größer sein?