Philosophie! Liebe zur Weisheit! Das zergeht auf der Zunge wie Honig. Die Schönheit des Begriffs steht jedoch heute im Schatten einer negativen Konnotation. Unpraktisch, unwirklich, merkwürdig. Was macht überhaupt ein Philosoph und welchen Mehrwert hat es für mich und dich? Bevor ich hier eine begeisterte Rede eines Nerds zum Besten gebe, schauen wir uns doch mal die drei wichtigsten Bereiche der Philosophie an.
- Die absolute Grundlage der Philosophie ist die Logik. Die Wissenschaft vom folgerichtigen Denken.
- Ein sehr praktischer Kernbereich der Philosophie ist die Ethik. Die Wissenschaft vom rechten Handeln.
- Mein persönlicher Favorit ist aber die Metaphysik! Die Wissenschaft von den allerersten Gründen des Seins und somit der Wirklichkeit. Herrlich.
Jeder Mensch denkt in seinem Leben. Das haben wir halt so an uns, nicht wahr? Wir werden auch denkende Tiere genannt. Wobei eine korrektere Übersetzung dieses Begriffs aus der islamischen Philosophie denkende Lebewesen wäre. Der Unterschied zwischen Tier und Lebewesen wäre zum Beispiel ein herrliches Objekt einer philosophischen Debatte. Auch wenn uns das Denken mit in die Wiege gelegt worden ist, bedeutet das nicht, dass wir damit auch folgerichtig denken können. Meist denken wir unbewusst; was soll ich heute anziehen, was soll ich kochen? Nur selten denken wir aber tiefgründig über große Themen nach.
Sicherlich habt ihr schon die eine oder andere Unterhaltung mit jemandem geführt und wart danach total frustriert, weil ihr einfach aneinander vorbeigesprochen habt. Aus der Sicht der Logik lag das vermutlich daran, dass eure Begriffe nicht konkret definiert waren. Wo wir beim Thema Begriffe sind. Begriffe sind fast schon die Idee selbst, aber nicht die Idee. Also das Bild. Na das, was man im Kopf hat, von irgendwelchen Objekten. Okay, ich merke schon, ich höre ja auf.
Wichtig ist nur, dass sich durch die Kernbereiche der Philosophie eins herauskristallisiert: Sie ist eine Wissenschaft, die unser Denken, unsere Kommunikation, unser Handeln und unsere Erkenntnisse von der Wirklichkeit beeinflusst und vorgibt. Wer sich mit Philosophie befasst, der führt seinen Verstand ins Fitnesscenter. Wer dann Philosoph ist, der kann sich auch gedanklicher Ingenieur nennen!
Die Wirklichkeit ist so beschaffen, wie wir sie wahrnehmen. Ein schlauer Spruch! Nein, nicht von mir, der ist von Kant. Mullah Sadra vertrat schon die Ansicht, dass derjenige, der wahrnimmt, die Wahrnehmung und das Wahrgenommene eine Einheit bilden. Ohne das eine existiert das andere auch nicht. Das heißt nicht, dass es nicht mehr wirklich existiert. Es ist nur dann eben nicht mehr das Wahrgenommene, weil es ja keiner wahrnimmt! Deshalb ist alles Sehen eben perspektivisches Sehen. Der ist übrigens von Nietzsche.
Also um das mal zusammenzufassen: Wir werden geboren, wir fangen an die Umwelt mit den fünf Sinnen wahrzunehmen. Irgendwann empfinden wir Wissen, das wir Emotionen nennen, im Bezug zu Objekten. Wir fürchten uns vor dem Mann unter dem Bett und lieben unsere Mama. Ab einem bestimmten Zeitpunkt in der Entwicklung begreifen wir dann abstrakte, allgemeine Begriffe ohne Bezug. Die Furcht. Die Liebe. Da ist alles Sehen nur noch perspektivisch. Manch einer erkennt in einer Beziehung Furcht, ein anderer Liebe. All das beeinflusst unsere Weltanschauung. Und unsere Weltanschauung beeinflusst unser Handeln. Unser Handeln wiederum beeinflusst unsere Mitmenschen. Schlussendlich wird dadurch unser soziales Leben bestimmt.
Moment mal! Das war’s? Nein! Die Philosophie beinhaltet so viel mehr, es ist zum Heulen, wie wenig Beachtung ihr geschenkt wird. Was ist Wissen, Wahrheit, Gerechtigkeit, Gedanke, Gut und Böse, Freiheit, Schicksal, Beweis … Gott!?
Vor allem die Vorstellung eines Gottes beeinflusst unser alltägliches Leben und, wenn wir uns die Botschaft aller Religionen ansehen, sogar unsere Ewigkeit! Ewigkeit. Ein weiteres Untersuchungsobjekt der Philosophie. Seit dem Aufschwung der empirischen Wissenschaften suchen Menschen die Antworten auf all diese abstrakten, philosophischen Fragen bei empirischen Wissenschaftlern. Der Evolutionsbiologe kann nicht darauf antworten, die Physik auch nicht. Sollen sie auch gar nicht! Metaphysik ist kein Bestandteil der Biologie oder Physik.
All diese wirklich wichtigen Fragen, die uns so bewegen, konnten nie von empirischen Wissenschaften beantwortet werden. Das war nie ihre Aufgabe. Es ist die Philosophie, die sich durch die Ratio an diese gewaltigsten aller Fragen heranwagt. Man kann keine empirischen Experimente über Gedanken, Freiheit, Schicksal oder Gott durchführen. Darüber muss der Mensch meditieren, nachdenken. Die Wissenschaft dafür nennen wir Philosophie. Jeder kann nachdenken, jeder soll nachdenken!
Erst dadurch entwickelt sich unsere Wahrnehmung weiter. Wir sehen, was mit dem bloßen Auge nicht zu sehen ist.
„[…] und über die Schöpfung der Himmel und der Erde nachdenken: ‚Unser Herr, Du hast (all) dies nicht umsonst erschaffen. Preis sei Dir!‘“ [3:191]
Ich plädiere gar nicht dafür, dass jeder sich unbedingt mit Philosophie befassen soll, aber jeder sollte … nachdenken.
„Denken sie denn nicht (darüber) nach?“ [7:184]