Hisbullah. Verfassungsschutz. Bad Oeynhausen. Man sollte meinen, dass diese drei Begriffe in keinerlei Zusammenhang miteinander stünden. Die Zeitung Neue Westfälische sieht das anders.
Eigentlich zuständig für Fragen wie die tatsächliche Existenz der Stadt Bielefeld oder die Erlaubnis plattdeutscher Ortsschilder in NRW, wagte der Lokalreporter der SPD-Medienholding gehörenden Tageszeitung Neue Westfälische[1], Lothar Schmalen, neuerdings einen Spagat zwischen komplexer Welt – und überschaubarer Lokalpolitik.
Der Hauptakteur: ein auf der Bühne der Weltpolitik bisher nicht in Erscheinung getretener islamischer Verein in Bad Oeynhausen.
Der Vorwurf: Nähe zur libanesischen „extremistischen“ und „israelfeindlichen“ Widerstandsorganisation Hisbullah.
Der Beweis: Berichte des Landesamtes für Verfassungsschutz in Nordrhein-Westfalen.
Der Aufhänger: Der Bau eines neuen Zentrums der betroffenen Oeynhausener Gemeinde.
Was war geschehen?
Auf telefonische Nachfrage von Offenkundiges schildert der Vorsitzende des El Mahdi Kulturvereins in Bad Oeynhausen, Herr Hassan Jawad, dass der Reporter der NW den Verein für einen Bericht über den Neubau des Gemeindezentrums interviewen wollte. Die Gemeindeleitung stimmte zu und vereinbarte einen entsprechenden Termin. „Wir kannten die Zeitung sehr gut“, erklärt Jawad. „Sie hatten bereits vor etwa elf Jahren einen Bericht über uns geschrieben, der sehr positiv war“, fügt er hinzu. Im Verlauf des Gesprächs stellte der Reporter plötzlich politische Fragen, die mit dem Neubau in keinerlei Zusammenhang standen. „Als ob er uns in irgendetwas reinreiten wollte“, kommentiert Jawad den Gesprächsverlauf. Weiter betont er: „Es wurde offensichtlich, dass er mit schlechter Absicht kam.“
Schmalen setzte schließlich am 21.10.2017 in seiner Zeitung einen Artikel unter dem Titel „Oeynhausener Al Mahdi-Zentrum im Visier des Verfassungsschutzes“ [2] auf. Bezug zum vermeintlichen Anliegen, dem Neubau der Moschee? Nur am Rande.
Stattdessen schwadroniert Schmalen über die Hisbullah, deren Entstehung, deren angebliche Ziele und Methoden. Und natürlich kann er an zwei Aspekten einen Zusammenhang zur schiitischen Gemeinde in Bad Oeynhausen herstellen:
- Der Verfassungsschutzbericht des Landes NRW erwähnt die Gemeinde seit Jahren als der Hisbullah nahe stehend.
- Der Vorsitzende der Gemeinde Hassan Jawad soll ihm gegenüber im Interview gesagt haben: „Israel ist der Feind, wir leisten Widerstand.“
„Ich habe derartige politische Äußerungen in dem Interview nicht geäußert“, versichert Jawad Offenkundiges gegenüber.
Zudem zeigt ein Blick in die Verfassungsschutzberichte des Landes NRW der letzten fünf Jahre keinerlei konkrete Vorwürfe. Die Bad Oeynhausener Gemeinde wird dort lediglich mit Gemeinden anderer Städte aufgelistet[3], so als solle dadurch eine stete Möglichkeit der politischen, medialen und rechtlichen Stigmatisierung und Isolierung aufrechterhalten werden. Schmalen schreibt zwar entschärfend: „Polizeilich aufgefallen ist das Kulturzentrum allerdings in den vergangenen Jahren nicht, teilten der Staatsschutz Bielefeld und die Stadt Bad Oeynhausen mit.“ Gleichzeitig erweckt er mit seiner Formulierung aber den Eindruck, dass es in den vorvergangenen Jahren anders war bzw. sich jederzeit ändern könne. Aber auch er liefert für seine Suggerierung keinerlei konkrete Anhaltspunkte.
Nur drei Tage nach Veröffentlichung dieser Hetze sprang der berühmt-berüchtigte Vollblutzionist Benjamin Weinthal mit dem Titel „Hezbollah-aligned German center declares 'resistance' against Israel“ (zu deutsch: „Hisbullah-nahes Zentrum in Deutschland erklärt Widerstand gegen Israel“) in der „Jerusalem Post“ auf den Propagandazug auf.[4] Dass er in seinem Artikel die Münsteraner Gemeinde mit der Gemeinde in Bad Oeynhausen verwechselt, ist dabei einer der kleineren Schnitzer, die Weinthal sich leistet. Alles Weitere hat Weinthal bereits zig mal, vor allem in Sachen Waisenkinderprojekt Libanon e.V., durchgekaut und letztlich auch nur aus dem Verfassungsschutzbericht des Bundes abgeschrieben: In Deutschland lebten rund 950 Anhänger der Hisbullah, davon so und so viele in NRW, die Hisbullah benutze Deutschland als Rückzugsgebiet usw.
Interessant ist an Weinthals Hetzartikel jedoch seine Nachfrage beim Innenminister des Landes NRW, Herber Reul (CDU), denn das Bekenntnis eines deutschen Politikers zu „Israel“ und dessen Verurteilung der angeblich von Jawad gemachten Äußerung dürfen standardmäßig nicht fehlen. Und so spielt der Innenminister dieses Spiel mit und äußert gegenüber der „Jerusalem Post“: „Wenn jemand in Deutschland sagt, dass Israel der Feind ist, dann ist das für mich intolerabel. Ich bin ein großer Freund Israels, und die Freundschaft zu Israel gehört zur Staatsräson Deutschlands. Deshalb verurteile ich eine solche Aussage aufs Schärfste.“
Man sollte meinen, dass ein deutscher Innenminister die deutsche Verfassung, das Grundgesetz, schützen sollte, in dem auch das Recht auf Meinungsfreiheit als eines der höchsten Güter enthalten ist, und nicht ein Besatzungs- und Apartheidsregime wie „Israel“. Aber das wäre offenbar zu viel verlangt.
Die angegriffene Gemeinde reagierte in der Zwischenzeit und veröffentlichte am 25.10.2017 eine öffentliche Erklärung in den sozialen Netzwerken, in der sie die erhobenen Vorwürfe und geäußerten Behauptungen gegen sich zurückweist und die Vorgehensweise von Schmalen und Weinthal aufs Schärfste verurteilt. Insbesondere wird Schmalen die Verletzung journalistischer Qualitätsstandards vorgeworfen.[5]
Stellt sich zum Schluss die spannende Frage: Warum wird eine politisch bisher nicht in Erscheinung getretene Ostwestfalener Gemeinde in dieser Form angegriffen und vor allem, weshalb zu diesem Zeitpunkt?
Man könnte meinen, alles Zufall, oder ein übereifriger Lokalreporter will seiner Karriere einen Schub geben. Das kann natürlich sein. Schaut man sich aber insbesondere die Vorgehensweise eines Weinthal an, so kann von Zufall schwer die Rede sein. Benjamin Weinthal ist immerhin einer der zentralen Drahtzieher hinter dem Verbot des Waisenkinderprojekts Libanon e.V. (später dann Farben für Waisenkinder e.V.). Über Jahre hinweg hat er mal in der „Welt“, mal in der „Jerusalem Post“, mal in der „Bild“ gegen das Waisenkinderprojekt als Unterstützerorganisation der Hisbullah in Deutschland gehetzt. Als die EU Mitte des Jahres 2013 den militärischen Flügel der Hisbullah auf die EU-Terrorliste setzte, konnte Weinthal nur kurze Zeit später, bereits im Frühling 2014, die Früchte seiner jahrelangen Anstrengungen ernten: Der Bundesinnenminister de Maizière verbot das Waisenkinderprojekt.
Zur Zeit üben die USA massiven Druck auf die EU aus, auch den politisch-zivilen Flügel der Hisbullah auf die Terrorliste zu setzen. Dies ist Teil der aktuellen Kampagne der USA gegen den Iran, die Hisbullah und die gesamte Achse des Widerstandes im Nahen Osten, welche zuletzt in Syrien und im irakischen Kurdistan sämtliche Pläne der USA, „Israel“, einiger arabischer Regime wie Saudi-Arabien und Teile des Westens zunichtemachte. Ein zionistischer „Superman“ wie Weinthal spekuliert nicht nur, er bereitet auch vor: Eine Gemeinde nach der anderen soll öffentlich in die Nähe der Hisbullah gerückt werden, damit man im Falle der Aufnahme des politisch-zivilen Flügels der Hisbullah auf die EU-Terrorliste in jeder Hinsicht Druck auf diese Gemeinden und auf die zuständigen Landesregierungen ausüben kann, mit dem Ziel, viele schiitische Vereine, vornehmlich libanesisch-schiitische Vereine, zu verbieten.
Keine Baugenehmigungen mehr, keine öffentlichen Förderungen, Hetze in den Medien, Kontoschließungen, auch für einzelne Mitglieder, Druck auf Arbeitgeber der Vereinsmitglieder, Erschwerung der Einbürgerung oder der Erteilung von Aufenthaltstiteln – das volle Programm. Den Vereinen soll keine Wahl gelassen werden: Entweder sie sagen sich öffentlich von der Hisbullah los und schwören der deutschen Staatsräson, wonach der Schutz und die Existenz „Israels“ unverhandelbar seien, die Treue, oder man schießt sie ab.
Deshalb ist den Vereinen in erster Linie anzuraten, jegliche Kooperation mit den Medien und auch mit der Politik nur mit Bedacht vorzunehmen. Insbesondere der Umstand, dass die NW zu 100% der SPD gehört, sollte den Muslimen deutlich zeigen, dass auch die SPD in Sachen „Israel“ kein Unschuldslamm ist, sondern dass diese in Gänze als aktiver Unterstützer des zionistischen Apartheids- und Besatzungsregimes in Deutschland fungiert.
Grund zur Panik oder zur Sorge besteht nicht, denn akut ist nicht ersichtlich, dass die EU auf die Forderung der USA hinsichtlich der Hisbullah eingeht. Die EU versucht gerade, das Trump-Theater zu nutzen, um sich so weit wie möglich von den USA abzukapseln, was beispielsweise an der neuen Syrien-Politik Frankreichs zu erkennen ist. Frankreich erkennt den syrischen Präsidenten Assad wieder als legitimen Präsidenten an, nachdem die jahrelangen Bemühungen, Assad zu stürzen, endgültig gescheitert sind.
Mittel- und langfristig sollten aber insbesondere die schiitisch-libanesischen Gemeinden auf jedwede Form von medialen, politischen oder rechtlichen Angriffen gefasst und vorbereitet sein. Sie sollten z.B. ihre politischen Ansichten klar und deutlich offenlegen und so nach innen hin ihre eigenen Reihen und jedes einzelne Mitglied stärken, zumal es in Zukunft sicher nicht ausreichen wird, auf derlei oder auf heftigere Angriffe mit einfachen Presseerklärungen zu reagieren.
http://www.nw.de/nachrichten/regionale_politik/21954169_Oeynhausener-Al-Mahdi-Zentrum-im-Visier-des-Verfassungsschutzes.html ↩︎
Berichte des Landesamtes für Verfassungsschutz Nordrhein-Westfalen 2012–2016: http://www.mik.nrw.de/verfassungsschutz/publikationen/berichte.html ↩︎
http://www.jpost.com/Diaspora/Hezbollah-aligned-German-center-declares-resistance-against-Israel-508242 ↩︎
https://www.facebook.com/permalink.php?story_fbid=1500473203381022&id=417245458370474 ↩︎